Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Ermordung des Königs Georg von Griechenland. 
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Tat den Eindruck eines Geistesgestörten. Auf 
alle Fragen gab er ausweichende Antwort. 
Es stellte sich im Laufe der Untersuchung 
heraus, daß er Grieche war, ein Lehrer namens 
Schinas, der aus Unzufriedenheit das Attentat 
verübt hatte. Er war in Athen als Alkoholiker 
von schwachem Intellekt polyeibekannt, ein 
herabgekommener Mensch, der keine Komplizen 
hatte, sondern aus eigenem Antrieb die Tat 
verübte. 
Der Mörder hat sich später in der Unter 
suchungshaft selbst getötet. 
Das) die Trauer in Griechenland gros) war, 
ist selbstverständlich. Die dynastischen Gefühle 
in Griechenland waren zwar nicht besonders 
groß; vor wenigen Jahren noch hatte die griechi 
sche Bevölkerung nicht übel Lust gezeigt, die 
Dynastie zu verjagen, aber nun hatte die 
griechische Armee große Erfolge errungen, die 
selbstverständlich auch die Popularität des Königs 
hauses steigerten. Die Trauer im Königreiche 
war groß und aufrichtig. 
Auch auf das Ausland wirkte die Rachricht 
von dem Attentat erschütternd. In Saloniki, 
der Stadt, die König Georg kurze Zeit vorher 
als Sieger betreten hatte und die er mit seinem 
Reich zu vereinigen hoffte, kurz nach dem 
Empfang der Siegesmeldungen von Ianina 
ist der König ermordet worden. Der Meuchel 
mord riß den Monarchen, der viele Jahre daran 
gearbeitet hatte, die Sehnsucht seiner Ration 
zu erfüllen, in dem Augenblick aus dem Leben, 
in dem es ihm gelungen war, sein Ziel zu er 
reichen. Der König hat schwere Zeiten durch 
zumachen gehabt, er hat Mederlagen und ihre 
bitteren Folgen kennen gelernt, und es hat 
Mochen und Monate gegeben, in denen das 
Volk sich so sehr von ihm abwendete, daß der 
Thron gefährdet schien. Damals drückte auf ihn 
und sein Haus die ganze Last der Mißstimmung 
über die Aussichtslosigkeit, Kreta zu gewinnen. 
Jetzt war alles gewendet.DieDynastiewarpopulär 
geworden; der König war es und der Kron 
prinz der Führer der siegreichen Truppen, war 
es nicht minder. Und in diesem glänzenden, 
tröstenden und hoffnungsvollen Abschnitt seiner 
fast 50jährigen Regentenlausbahn ist sie plötz 
lich und in häßlicher Meise abgeschnitten 
worden. 
Fast genau 50 Jahre waren es, seit — am 
30. Mär) 1863 — die griechische Rational 
versammlung dem zweiten Sohne des Königs 
Christian IX. von Dänemark die Krone ange 
boten hatte, die dem bayrischen Otto entrissen 
worden war. Es erforderte ernste Überlegung, 
ob der 18jährige Jüngling — geboren am 
24. Dezember 1845 — in das Land geschickt 
werden solle, das von Parteiungen zerrissen war, 
sich in schlimmen finanziellen Röten befand und 
Balkankrieg. H. 
viel zu klein an Umfang für das brennende 
Verlangen der Griechen, die hellenisch sprechen 
den Gebiete zu einem unabhängigen Ganzen 
zusammenzuschließen. Die Entscheidung wurde 
dadurch erleichtert, daß England versprach, die 
Jonischen Inseln, die leidenschaftlich nach Ver 
einigung mit dem Königreiche strebten und die 
der Londoner Regierung schwere Verlegenheiten 
bereiteten, abzutreten. Am 30. Oktober, 14 Tage 
ehe sein Vater den Thron bestieg, kam er im 
Hafen von Piräus an und am Tage darauf 
übernahm der schlanke blonde Däne die Re 
gierung Griechenlands. Er legte seinen Tauf 
namen Milhelm ab und nannte sich Geor- 
gios I. 
In seinem Mesen hatte König Georg 
wenig den Griechen Verwandtes. Aber er 
brachte seinem Lande eine aufrichtige Liebe 
entgegen und den Millen, ihm zu dienen. Es 
war nicht seine Absicht und es lag nicht in 
seiner Ratur, mit seiner Persönlichkeit hervor 
zutreten und seine Zurückhaltung ist ihm oft 
als Verdienst hoch angerechnet, oft auch, wenn 
die inneren Kämpfe gar zu stark wurden, übel 
genommen worden. Es hat sich gezeigt, daß sie 
im großen und ganzen in dem Lande, in dem 
das politische Treiben sehr lebhaft ist, der Dy 
nastie, die er gründete, zum Vorteil gereicht 
hat. In der auswärtigen Politik erwiesen seine 
Familienbeziehungen sich oft als höchst wertvoll für 
Griechenland. Der Kriegssturm, der über Däne 
mark hinwegzog und den Verlust von Schles 
wig-Holstein zur Folge hatte, änderte nichts an 
der Stellung des dänischen Hofes in Europa. 
Der König von Griechenland war der Schwager 
des Prinzen Eduard von Males und verdankte 
zum Teil dieser Beziehung seine Krone. Im 
Jahre 1866 vermählte sich seine zweite Schwe 
ster, Dagmar, mit dem nachmaligen Kaiser 
Alexander III., im Jahre 1867 heiratete er die 
Großfürstin Olga Konstantinowna. Menn- die 
russische Politik auf dem Balkan die Slawen 
bevorzugte, so machte sich trotzdem in wichtigen 
Augenblicken doch auch die nahe Verbindung 
des Königs mit dem Petersburger Hofe geltend 
und die Sympathie Englands zeigte sich 
wenigstens am Anfang praktisch, nützlich. 
Rach der Einverleibung der Ionischen Inseln 
trat eine längere Pause in der Erweiterung der 
Grenzen ein. Erst der russisch-türkische Krieg 
gab Gelegenheit zu einer neuen Vergrößerung, 
die sich Griechenland dadurch verschaffte, daß es, 
so gut es damals konnte, in den Kampf eintrat. 
Rach dem Berliner Kongreß erhielt es Thessa 
lien, die Aussichten auf den Epirus zerschlugen 
sich. Aber das griechische Volk hörte nicht auf 
zu hoffen. Es hoffte mit einer Stärke, als hätte 
es dadurch die gewünschten Landgebiete aus 
den Händen der Türkei sich herüberziehen 
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