Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

326 
Der Hall von Ndrianopel. 
□□ 
dann haben Sie Schükri Pascha." „Für Schükri 
Pascha ist schon ein Quartier vorbereitet," fügte 
er etwas später hinzu. „Das ist ja schön; aber 
dann sollte man ihn doch fragen, ob er damit 
einverstanden ist, jetzt gleich mit Ihnen in die 
ihm zugedachte Wohnung zu gehen. „So trat 
ich denn zum dritten Male vor Schükri mit den 
Worten: „Exzellenz, brausten ist ein bulgarischer 
Offizier mit der Meldung, dast für Eure Exzel 
lenz ein Quartier bereit ist. Wenn Eure Ex 
zellenz wünschen, so können wir sogleich auf 
brechen. Sollten Sie jedoch vorziehen, noch hier 
zu bleiben, um Ihre Angelegenheiten zu ord 
nen, so können Eure Exzellenz in aller Ruhe 
hier übernachten." Schükri wandte sich an Aziz 
Pascha, wechselte einige Worte auf türkisch mit 
ihm und erklärte dann: „Ich ziehe vor, zu blei 
ben, wo ich bin." Salutierend trete ich ab und 
benachrichtigte den bulgarischen Offizier, der 
daraufhin verschwindet. Mit dem Regiments 
kommandeur ügrinowitsch zusammen begann ich 
dann ein Verzeichnis aller hier gefangen ge 
nommenen türkischen Offiziere aufzustellen. 
Schükri Pascha übernachtete in unserem Fort, 
in demselben, in welchem er gefangen genommen 
worden war. Am folgenden Tag mustte ich mich 
als Mitglied der Abschätzungskommission in den 
nordwestlichen Abschnitt begeben, um die Kriegs 
beute aufzunehmen, aber ehe ich fortging, machte 
ich den Kommandeur nochmals darauf aufmerk 
sam, dast das Verzeichnis der Offiziere mit 
Schükri bei der Übergabe von den Bulgaren 
unterzeichnet werden und uns verbleiben müsse, 
ügrinowitsch stimmte vollkommen mit mir über 
ein und als ich, von der Kommission zurück 
kehrend, mit der eiligen Frage auf ihn zutrat, 
ob die Bulgaren das Schriftstück unterschrieben 
hätten, antwortete er mir lächelnd: „Alles in 
bester Ordnung!" 
Das ist die Geschichte von Schükri Paschas 
Gefangennahme. 
Was Schükri Pascha selbst erzählt. 
Der tapfere Verteidiger von Adrianopel, 
der 5 Monate hindurch übermenschliches ge 
leistet hatte, wurde von den Bulgaren nach Sofia 
gebracht. Dort empfing er am 16. April eine 
Anzahl von Journalisten und gab ihnen eine 
Darstellung der letzten Kämpfe in Adrianopel 
und seiner eigenen Gefangennahme, die als 
absolut authentisch gelten kann. Denn Schükri 
Pascha hatte keinen Anlast, die Wahrheit irgend 
wie zu verschleiern. Der Sofioter Korrespondent 
der „Veuen Freien Presse" erzählt über die 
Unterredung das Folgende: 
Schükri Pascha empfing heute nachmittags 
die Vertreter der bedeutendsten ausländischen 
Blätter. 13 Personen, Schükri Pascha inbe 
griffen, versammelten sich in dem schmucken, 
Hellen Salon des unglücklichen Helden, welcher 
mit herzlichem Händedruck die Eintretenden be- 
grüstte. Am Kleiderrechen hängt sein einfacher 
Säbel, in der Ecke steht eine Etagere mit Zei 
tungen beladen. 
Sein Aussehen ist das eines ehrwürdigen, 
greisen Gelehrten; tiefbrauner Teint, buschige, 
meiste Augenbrauen, blaugraue, gutmütige, da 
bei blitzende Augen, weister Backenbart, hakige 
Vase, abgetragene grüne Felduniform. 
Sofort beginnt ein Kreuzfragen der Er 
schienenen. Schükri Pascha, welcher seit seiner 
Ankunft in Sofia niemanden als Javer Pascha, 
seine Stabsoffiziere und den Stadtkommandan 
ten gesehen, freut sich der stattlichen Anzahl der 
Besucher; er ist gesprächig und in bester Laune. 
Die Konversation wird französisch geführt, wel 
ches Schükri ziemlich, besser aber das Deutsche 
beherrscht. Vur bei Fragen militärischen Charak 
ters wird er nachdenklich und bittet schliestlich, 
schweigen zu dürfen. Aus seinem Munde kommen 
Worte gröstter Aufrichtigkeit. 
„Es ist traurig, dast ich als Gefangener die 
Vertreter der ausländischen Presse empfangen 
must," begann Schükri Pascha. „Ich bin bereit, 
den Herren Aufklärungen zu geben." 
Frage: Ergaben sich Exzellenz den Bulgaren 
oder den Serben? 
Antwort: „Die letzten 14 Tage war ich im 
Fort Adarlak. Die Bulgaren haben recht, denn 
ich habe mich dem Obersten Marcholew ergeben, 
welcher als erster mit zwei bulgarischen Offizie 
ren erschien. Die Erklärung, welche kürzlich das 
Hauptquartier publizierte, ist die richtige und ich 
wundere mich über das, was der serbische Kriegs 
minister in der Kammer sagte. Ich bin über 
zeugt, dast kein serbischer Offizier Unwahrheiten 
bewustt sagt; Sie werden sehen, dast da ein 
Irrtum obwaltet und die Serben in gutem 
Glauben der Ansicht sind, dast sie die ersten 
waren, welche mich fanden. 
Mit Marcholew fuhr ich nach viertelstündi 
ger ritterlicher Aussprache in einem Wagen zur 
Brücke, wo General Masow wohnte, von dort 
im Automobil zu General Iwanow. Mir kamen 
zurück, da man unserem Ersuchen, in unserem 
Fort bleiben zu dürfen, willfahrte. Wir blieben 
allein; erst ungefähr 2 Stunden nach meiner 
Vückkehr kamen zwei serbische Offiziere, welche 
nicht wissen konnten, dast kurz vorher Marcholew 
bei mir gewesen war. Von einer Übergabe an 
die serbischen Offiziere war keine Vede. Sie 
benahmen sich mir gegenüber aufmerksam und 
sprachen deutsch .und französisch in höflichen 
Worten über meine Ausdauer und meinen 
Heldenmut. Sie glaubten die ersten zu sein." 
Frage: „Sagten Exzellenz nicht, dast schon 
Bulgaren da waren?"
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.