Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Fall von Ndrianopel. 
923 
□□ 
41* 
mitgeteilt, die serbische Armee sei 65.000 Mann 
stark mit 60 Belagerungsgeschützen gewesen. Auf 
dem Papier war die serbische Armee bei Adria 
nopel 47.000 Mann stark, aber von diesen 
waren 19.000 krank, von welchen in den letzten 
Monaten zirka 8000 nach Serbien evakuiert 
wurden. Durch den gutorganisierten Sanitäts 
und Intendanturdienst war der Prozentsatz der 
Nichtkombattanten in der serbischen Armee ziem 
lich hoch. Wenn wir von 47.000 die Zahl der 
Kranken und Nichtkombattanten abziehen, blei 
ben zirka 29.000 mit 60 Feldgeschützen, 20 Stück 
12 Zentimeter- und 8 15 Ientimeterhaubitzen, so 
wie 10 langen lo Ientimeterkanonen. Die bul 
garische Belagerungsarmee war ursprünglich 
115.000 Mann stark. Aach Abzug der Kranken 
und Nichtkombattanten blieben 88.000 Mann 
mit 342 Geschützen verschiedenen Kalibers. 
Vorzüglich war der entscheidende Angriffs 
punkt gewählt. Die Nordostecke des Fortgürtels 
bildet beim Fort Aiwasbaba einen ausspringen 
den Winkel, der eine vollständige Feuerum 
fassung begünstigte. Natürlich hielten die Türken 
hier auch auf stärkste Besetzung und Armierung. 
Günstig war für den Angriff, das) das Gelände 
teilweise gedeckte Annäherung erlaubte. Schließ 
lich die Höhe der Verluste zeugt von der Kraft 
des Widerstandes und der Tapferkeit der Trup 
pen des Angreifers. Die Verluste im Ostsektor 
sind, getötet: 16 Offiziere, 949 Mann; ver 
wundet: 62 Offiziere, 5207 Mann. Auf dem 
Südsektor wurden getötet: 8 Offiziere, 325 
Mann; verwundet: 20 Offiziere, 1364 Mann. 
Insgesamt verlor beim Sturm die bulgarische 
Armee 24 Offiziere, 1272 Mann tot; 32 Offi 
ziere, 6573 Mann verwundet. Die serbische 
Armee im Nordwestsektor, Timokdivision, tot: 
4 Offiziere, 69 Mann; verwundet: 2 Offiziere, 
350 Mann. Westsektor, Donaudivision, tot: 
2 Offiziere, 199 Mann; verwundet: 5 Offi 
ziere, 806 Mann. 
Zu bemerken ist, das) dort, wo die Serben 
die Forts erobert und Schükri Pascha gefangen 
genommen haben wollen, bei der Timokdivision 
im nordwestlichen Sektor, die Forts am stärksten, 
aber die Verluste am geringsten sind. — Die 
Donaudivision, welche die Forts nicht angriff, 
sondern sich in einer Stellung gegenüber dem 
Westsektor verschanzte, hatte dort 2Vsmal mehr 
Verluste, als die Timokdivision. Daraus geht 
hervor, das) diese bei ihrem Eindringen die 
Türken bereits im Begriffe fand, den Wider 
stand aufzugeben, der auf der Ostfront durch 
die Bulgaren gebrochen war. 
Der wahre Sachverhalt sollte durch diese 
Darlegungen keinem Zweifel mehr unterliegen. 
Eine serbische Darstellung. 
Soweit der bulgarische Oberkommandierende.. 
Hören wir nun eine serbische Darstellung der 
Vorgänge. Der Major Milan Gawrilowitsch, 
der als Kommandeur des 4. Bataillons des 
20. serbischen Regiments auf die Ehre Anspruch 
erhob, Schükri Pascha gefangen genommen zu 
haben, erzählt darüber folgendes: 
Obwohl es stockfinstere Nacht war, gingen unsere 
Soldaten mit der größten Entschlossenheit und 
mit der festen Überzeugung zum Sturme vor, 
daß der starkbefestigte Bergrücken, dem wir ent 
gegenstürmten, nur mit dem Bajonett zu nehmen 
sei. Da wir nur wenige Schritte von den türki 
schen Verschanzungen entfernt waren, warfen 
sich meine Leute mit aufgepflanztem Seiten 
gewehr dem Feind entgegen. Ein solch entsetz 
liches Würgen begann, daß es mit unserem 
Siege enden mußte. In diesem schrecklichen 
Ringen von Mann gegen Mann kam eine 
große Anzahl von Feinden ums Leben, die 
übrigen stoben in wilder Flucht atemlos davon 
und die Unseren schickten ihnen tödliche Kugeln 
nach. Ebenso ernst war dieser Sturm längs der 
ganzen serbischen Front. Der Angriff begann 
um 3 Uhr morgens und bereits um 4 Uhr fielen 
die vordersten Stellungen in unsere Hände. In 
diesem Augenblick berichtete der Kommandant 
dem General Iwanow von unserem Erfolg, 
während die Bulgaren bis dahin noch nichts 
genommen hatten. Demzufolge sind also die 
ersten Befestigungen Adrianopels in serbische 
Hände gefallen, und zwar am 25. März, um 
4 Uhr in der Früh. Erst 2 bis 3 Stunden 
später gelang es den Bulgaren, die vordersten 
Linien ihrer Abschnitte zu nehmen. Bei uns 
Offizieren steht die Überzeugung fest, daß dieser 
erste, kraftvolle und energische Bajonettangriff 
unserer Truppen, die erste furchtbare Ver 
wirrung und außerordentliche Panik in allen 
Reihen der türkischen Besatzung hervorrief. Und 
wenn man mir erzählt, daß der Ehef des 
Stabes von Schükri Pascha behauptet, daß der 
erfolgreichste Angriff von serbischer Seite er 
folgt sei, so hatte er vollkommen recht. Hügel 
auf Hügel siel in unseren Besitz und alle 
wurden mit dem Bajonett genommen. In 
diesen Stürmen habe ich persönlich von den 
Leuten, die mir unterstanden, 2 Unteroffiziere 
und 15 Soldaten verloren; verwundet waren 
ihrer 40, allein die Türken wichen mehr und 
mehr zurück. Als der Tag anbrach, begann ein 
mörderisches Artilleriefeuer gegen uns. Es über 
steigt jeden Begriff, denn die Türken hatten auf 
dieser Seite, dem westlichen Abschnitt, die größte 
Anzahl ihrer Geschütze. Die Luft erdröhnte vom 
Getöse und die Erde wurde überschwemmt mit 
Eisen und Blei. Unter diesem todbringenden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.