Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Haltung Rußlands. 
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unterstützen- durch einen harten Druck auf Öster 
reich-Ungarn den Serben einen Teil Albaniens 
und den verlangten Adriahafen )u verschaffen. 
Das) es dabei )u einem Weltkrieg kommen 
konnte, hätte die Staatsmänner in Paris und 
auch in Petersburg vielleicht nicht Mückhalten 
können. Aber in dem Augenblick, als Frankreich 
und Rußland erkennen mußten, daß England 
diese Politik nicht mitzumachen geneigt war, 
)og man die Friedenssaiten auf und bemühte 
sich, Serbien )um Aachgeben M bringen. An 
den Gedanken, daß Albanien die Autonomie 
erhalten werde, hatte man sich in Paris und 
Petersburg sehr rasch gewöhnt. Man war bereits 
geneigt, Serbien nur einen Handelshafen M)u- 
gestehen und auch den Korridor hatte man schon 
aus der Liste der Be 
scherungen für das ser 
bische Königreich ge 
strichen. In London 
hatte man erkannt, daß 
die Politik Österreich- 
Ungarns inneren Aot- 
wendigkeiten entsprun 
gen war und da man 
zudem nicht geneigtwar, 
sich an einem Weltkrieg 
zu beteiligen, nur damit 
Rußland den Balkan 
für sich erobern und 
vielleicht den alten Ri 
valen Österreich zer 
trümmern konnte, sprach 
man laut und deutlich 
vor aller Welt davon, 
daß England in diesen 
Streit nicht aktiv ein 
greifen würde. 
Am 27. Aovember 
schrieb „Daily Tele 
graph": Es wäre ein 
wirkliches Unglück, wenn diejenigen, die für die 
autokratischen Forderungen des serbischen König 
reiches verantwortlich sind, sich einbildeten, daß 
sie die sympathische Unterstützung Europas auf 
ihrer Seite hätten. Soweit England in Betracht 
kommt, hat sich das genannte Mitglied des 
Balkanbundes einen großen Teil seiner ursprüng 
lichen Sympathien entfremdet. Das Blatt be 
zeichnet es als undenkbar und als eine mon 
ströse Absurdidät, daß Europa wegen eines Adria 
hafens von einem Kriege heimgesucht und daß 
England selbst in die Feindseligkeiten verwickelt 
werden sollte. 
Die „Times" schrieben am gleichen Tage: 
Aur wenige Leute außerhalb Serbiens werden 
die serbischen Ansprüche als zulässig bezeichnen. 
Es besteht indes die Meinung, daß der serbische 
Handel eine gewisse Art von Zutritt zum Adria 
tischen Meer beanspruchen könnte. Die Haltung 
Englands ist kutz die, daß Serbien nicht er 
drosselt werden soll, sondern daß es seine An 
sprüche in Ruhe zur rechten Zeit verfolgen solle. 
„Daily Aews" schreiben: So sehr wir mit 
den legitimen Wünschen Serbiens nach einem 
Ausweg zum Meer sympathisieren mögen, ist 
es doch undenkbar, daß eine Frage dieser Art 
Europa in einen Krieg stützen würde. 
Die Konferenzidee. 
Die Situation war nunmehr ziemlich klar 
gestellt; es mußte nur noch ein Weg gefunden 
werden, um den diplomatischen Rückzug Ruß 
lands und Frankreichs zu maskieren. England 
hatte diesen Rückzug 
veranlaßt und sah sich 
deshalb auch ver 
pflichtet, den Ausweg 
zu finden. Am 26. Ao 
vember behauptete 
„Pall Mall Galette", 
daß Staatssekretär Sir 
Edward Grey eine 
Konferenz befürworte, 
die noch vor Beendi 
gung des Krieges zu 
einem Einvernehmen 
über Albanien, die 
Agäischen Inseln und 
die Meerengen ge 
langen, das öster 
reichisch-serbische Pro 
blem aber bis nach 
Friedensschluß aufschie 
ben wollte. 
Die Mitteilung lau 
tete: Sir Edward Grey 
hat die Initiative er- 
griffenund den Mächten 
einen förmlichen Vorschlag unterbreitet, dessen 
allgemeine Grundzüge darin bestehen, daß die 
Mächte ihre Botschafter in einer der Haupt 
städte (es ist Paris vorgeschlagen, aber nur 
fühlungsweise) bevollmächtigen, sobald als mög 
lich zu einer Konferenz zusammenzutreten, ohne 
auf die Beendigung des Krieges zu warten. 
Es handelt sich also nicht darum, für eine 
detaillierte Lösung aller Probleme Vorkehrungen 
zu treffen, die sich als Folge der Siege der 
Balkanstaaten ergeben haben, sondern bloß 
darum, den Großmächten ein Mittel?u geben, 
um in kützester Zeit ihre allgemeine Überein 
stimmung über die wichtigsten obschwebenden 
Fragen auszudrücken, nämlich über Albanien, die 
Agäischen Inseln und die Meerengen des Bos 
porus und der Dardanellen. 
Das Entwerfen dieser Erklärungen sollte 
Der montenegrinische Delegierte Miuskovic.
	        
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