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Die Kämpfe um Bulair.
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Leichtverwundete, gelbhäutige Ägypter und
braune Ander hervorgetreten sind, flattern weiße
Fahnen mit dem roten Halbmonde. Mitten
unter den Zelten erhebt sich neben einem, an
seiner dunkleren Farbe besonders gekennzeichneten,
ein kleines hölzernes Minarett, auf dessen
Brüstung der Muezzim eifrig die Gläubigen
zum Gebete ruft. Die Angehörigen des reichen,
indischen Halbmondes unterscheiden sich zu
ihrem Vorteil von ihren ärmeren osmanischen
und ägyptischen Kameraden. Sie sehen aus,
als trieben sie die Krankenpflege wie einen
Sport. Sie tragen kleidsame Anzüge nach eng
lischem Schnitt, an denen der Winter mit
seinem Schmutz und seiner Aässe kaum Spuren
hinterlassen hat. Auf der ganzen Strecke von
Konstantinopel bis Spartakule lagern deutsche
Eisenbahnmaterialien,eiserneSchienen,Schwellen
balken, Werkzeug und Wellblechwände, welche
zur Anlage eines zweiten Geleises und zur Ver
schönerung der Bahnhöfe dienen sollten und
deren Verwendung der Balkankrieg ein jähes
Ziel gesetzt hat. Der Bahnhof in San Stefano,
ein hübscher Veubau, welchen eine Unterführung
mit den Bahnsteigen verbindet, gleicht dem
einer größeren norddeutschen Stadt. Ae mehr
man in die inneren Verhältnisse der Türkei zu
blicken vermag, desto mehr gewinnt man die
Überzeugung, daß die Bulgaren den günstigsten
Zeitpunkt zum Angriff auf das Türkenreich ge
wählt haben. Wäre das nun in seinen An
fängen brachliegende zweite Geleis der Orientali
schen Bahn beendet gewesen, so hätten die
Türken nach ihrem Erfolg bei Tschataldscha
vielleicht die Kraft zur Verfolgung und Ver
nichtung ihres Gegners besessen!
Der Zug setzt sich langsam wieder in Be
wegung. Eine zweite Lokomotive ist zur Über
windung starker Steigungen vorgekoppelt worden.
Bei Omarli beginnt das türkische Heerlager.
Tief in die Erde hinein sind mit Holz und
Stein verkleidete Pferdeställe und Vorratsräume
für Lebensmittel und Geschosse gegraben. Die
Truppen haben das Gelände gut ausgenutzt.
Die spitzen Mannschaftszelte, zu denen sich auch
zahlreiche aus deutschen Zeltbahnen zusammen
gesetzte flache gesellen, befinden sich auf den
dem Feinde abgewandten Berghängen und tief
im Grunde der Mulden alle übrigen Anlagen.
Endlich erreicht der Zug Hademköj, wo sich
das gleiche, soeben beschriebene Bild in erheb
lich größerem Maßstabe dem Beschauer dar
bietet. Auf einem toten Gleise hält der Sonder
zug der obersten Heeresleitung. Durch Vermitt
lung eines mir bekannten Generalstäblers wird,
nachdem der Erlaubnisschein zum Besuch
Hademköjs und mein paß nochmals sorgfältig
geprüft worden sind, mir ein Automobil, ein
kleiner Stöwerwagen, zur Verfügung gestellt,
der ausgezeichnet läuft und mich auf guter
Straße rasch nach der Festung Mahmudijeh
hinaufführt. Die Aücksicht auf Wahrung mili
tärischer Geheimnisse verbietet mir die Beschrei
bung der dortigen Einrichtung, aber allein die
Aussicht und die Vorgänge, die ich beobachtete,
sind der Schilderung wert. Man genießt von
Mahmudijeh aus mit dem Fernglas einen
prachtvollen Überblick über die südlichen Teile
der bulgarischen und der türkischen Haupt
stellung. In der Bucht von Bujuk Tschekme-
dsche lagen die beiden Panzerschiffe ..Haireddin
Barbarossa" und „Torgut Aeis" und lösten
ab und zu ihre schweren Geschütze gegen die
nordwestlich von Papas Burgas ausgehobenen
bulgarischen Befestigungen für schwere Geschütze.
Man konnte deutlich den Aufschlag der Gra
naten an ihren mächtigen hellen Sprengwolken
erkennen. Um so mehr, als wir, der mich
führende Offizier und ich, breitseits zur Geschoß
bahn standen. Die Türken sind auf ihrem
linken Flügel über die Bucht von Bujuk Tschek-
medsche vorgedrungen. Dort befehligt der ehe
malige Marineminister Churschid Pascha das
10. Korps, dem der bekannte Freiheitsheld und
Afrikakämpfer Enver Bey als Chef des General-
stabs zugeteilt ist.
Der Brückenkopf von Kallikratia ist in os-
manischem Besitz und nach Aussagen maßgeben
der Offiziere außerordentlich stark mit den mo
dernsten Mitteln befestigt. Die Bulgaren scheinen
dort besonders scharf angreifen zu wollen. Man
hat festgestellt, daß sie ihre schweren Adrianopler
Belagerungsgeschütze auf den Höhen bei Arnaut-
köj und Papas Burgas unterbringen und teil
weise gegen die türkische Flotte und gegen
Kallikratia, teilweise gegen Bujuk Tschekmedsche
und die östlich von Papas Burgas liegenden
türkischen Schanzen verwenden wollen. Was
der Türkei im Laufe des Balkankrieges zuge
mutet worden ist, möchte ich kurz durch zwei
Tatsachen belegen, deren Kenntnis ich verschie
denen, zuverlässigen Ouellen verdanke. Der
griechische Patriarch von Konstantinopel hatte
die Unverfrorenheit, bald nach der Schlacht bei
Tschataldscha in Konstantinopel 8 Maonen
mit Lebensmitteln für die Bulgaren auszurüsten
und nach Aodosto zu schicken. Die Kähne wur
den indessen von osmanischen Torpedobooten
aufgegriffen, für das türkische Heer entfrachtet
und liegen nun als Prise leer in der Bucht von
Bujuk Tschekmedsche, wie mir mein Fernglas
zeigte. Die Franzosen haben es noch ärger ge
trieben. Um den Fall Adrianopels zu beschleu
nigen, haben sie mehrere Batterien schwerer
Haubitzen mit den dazu gehörigen Geschossen
den Bulgaren zur Verfügung gestellt. Diese
Haubitzen stammen nicht etwa aus den Werk
stätten Schneider-Ereusot oder Canet, sondern