Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Kämpfe um Bulair. 
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Leichtverwundete, gelbhäutige Ägypter und 
braune Ander hervorgetreten sind, flattern weiße 
Fahnen mit dem roten Halbmonde. Mitten 
unter den Zelten erhebt sich neben einem, an 
seiner dunkleren Farbe besonders gekennzeichneten, 
ein kleines hölzernes Minarett, auf dessen 
Brüstung der Muezzim eifrig die Gläubigen 
zum Gebete ruft. Die Angehörigen des reichen, 
indischen Halbmondes unterscheiden sich zu 
ihrem Vorteil von ihren ärmeren osmanischen 
und ägyptischen Kameraden. Sie sehen aus, 
als trieben sie die Krankenpflege wie einen 
Sport. Sie tragen kleidsame Anzüge nach eng 
lischem Schnitt, an denen der Winter mit 
seinem Schmutz und seiner Aässe kaum Spuren 
hinterlassen hat. Auf der ganzen Strecke von 
Konstantinopel bis Spartakule lagern deutsche 
Eisenbahnmaterialien,eiserneSchienen,Schwellen 
balken, Werkzeug und Wellblechwände, welche 
zur Anlage eines zweiten Geleises und zur Ver 
schönerung der Bahnhöfe dienen sollten und 
deren Verwendung der Balkankrieg ein jähes 
Ziel gesetzt hat. Der Bahnhof in San Stefano, 
ein hübscher Veubau, welchen eine Unterführung 
mit den Bahnsteigen verbindet, gleicht dem 
einer größeren norddeutschen Stadt. Ae mehr 
man in die inneren Verhältnisse der Türkei zu 
blicken vermag, desto mehr gewinnt man die 
Überzeugung, daß die Bulgaren den günstigsten 
Zeitpunkt zum Angriff auf das Türkenreich ge 
wählt haben. Wäre das nun in seinen An 
fängen brachliegende zweite Geleis der Orientali 
schen Bahn beendet gewesen, so hätten die 
Türken nach ihrem Erfolg bei Tschataldscha 
vielleicht die Kraft zur Verfolgung und Ver 
nichtung ihres Gegners besessen! 
Der Zug setzt sich langsam wieder in Be 
wegung. Eine zweite Lokomotive ist zur Über 
windung starker Steigungen vorgekoppelt worden. 
Bei Omarli beginnt das türkische Heerlager. 
Tief in die Erde hinein sind mit Holz und 
Stein verkleidete Pferdeställe und Vorratsräume 
für Lebensmittel und Geschosse gegraben. Die 
Truppen haben das Gelände gut ausgenutzt. 
Die spitzen Mannschaftszelte, zu denen sich auch 
zahlreiche aus deutschen Zeltbahnen zusammen 
gesetzte flache gesellen, befinden sich auf den 
dem Feinde abgewandten Berghängen und tief 
im Grunde der Mulden alle übrigen Anlagen. 
Endlich erreicht der Zug Hademköj, wo sich 
das gleiche, soeben beschriebene Bild in erheb 
lich größerem Maßstabe dem Beschauer dar 
bietet. Auf einem toten Gleise hält der Sonder 
zug der obersten Heeresleitung. Durch Vermitt 
lung eines mir bekannten Generalstäblers wird, 
nachdem der Erlaubnisschein zum Besuch 
Hademköjs und mein paß nochmals sorgfältig 
geprüft worden sind, mir ein Automobil, ein 
kleiner Stöwerwagen, zur Verfügung gestellt, 
der ausgezeichnet läuft und mich auf guter 
Straße rasch nach der Festung Mahmudijeh 
hinaufführt. Die Aücksicht auf Wahrung mili 
tärischer Geheimnisse verbietet mir die Beschrei 
bung der dortigen Einrichtung, aber allein die 
Aussicht und die Vorgänge, die ich beobachtete, 
sind der Schilderung wert. Man genießt von 
Mahmudijeh aus mit dem Fernglas einen 
prachtvollen Überblick über die südlichen Teile 
der bulgarischen und der türkischen Haupt 
stellung. In der Bucht von Bujuk Tschekme- 
dsche lagen die beiden Panzerschiffe ..Haireddin 
Barbarossa" und „Torgut Aeis" und lösten 
ab und zu ihre schweren Geschütze gegen die 
nordwestlich von Papas Burgas ausgehobenen 
bulgarischen Befestigungen für schwere Geschütze. 
Man konnte deutlich den Aufschlag der Gra 
naten an ihren mächtigen hellen Sprengwolken 
erkennen. Um so mehr, als wir, der mich 
führende Offizier und ich, breitseits zur Geschoß 
bahn standen. Die Türken sind auf ihrem 
linken Flügel über die Bucht von Bujuk Tschek- 
medsche vorgedrungen. Dort befehligt der ehe 
malige Marineminister Churschid Pascha das 
10. Korps, dem der bekannte Freiheitsheld und 
Afrikakämpfer Enver Bey als Chef des General- 
stabs zugeteilt ist. 
Der Brückenkopf von Kallikratia ist in os- 
manischem Besitz und nach Aussagen maßgeben 
der Offiziere außerordentlich stark mit den mo 
dernsten Mitteln befestigt. Die Bulgaren scheinen 
dort besonders scharf angreifen zu wollen. Man 
hat festgestellt, daß sie ihre schweren Adrianopler 
Belagerungsgeschütze auf den Höhen bei Arnaut- 
köj und Papas Burgas unterbringen und teil 
weise gegen die türkische Flotte und gegen 
Kallikratia, teilweise gegen Bujuk Tschekmedsche 
und die östlich von Papas Burgas liegenden 
türkischen Schanzen verwenden wollen. Was 
der Türkei im Laufe des Balkankrieges zuge 
mutet worden ist, möchte ich kurz durch zwei 
Tatsachen belegen, deren Kenntnis ich verschie 
denen, zuverlässigen Ouellen verdanke. Der 
griechische Patriarch von Konstantinopel hatte 
die Unverfrorenheit, bald nach der Schlacht bei 
Tschataldscha in Konstantinopel 8 Maonen 
mit Lebensmitteln für die Bulgaren auszurüsten 
und nach Aodosto zu schicken. Die Kähne wur 
den indessen von osmanischen Torpedobooten 
aufgegriffen, für das türkische Heer entfrachtet 
und liegen nun als Prise leer in der Bucht von 
Bujuk Tschekmedsche, wie mir mein Fernglas 
zeigte. Die Franzosen haben es noch ärger ge 
trieben. Um den Fall Adrianopels zu beschleu 
nigen, haben sie mehrere Batterien schwerer 
Haubitzen mit den dazu gehörigen Geschossen 
den Bulgaren zur Verfügung gestellt. Diese 
Haubitzen stammen nicht etwa aus den Werk 
stätten Schneider-Ereusot oder Canet, sondern
	        
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