Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Kämpfe um Bulair. 
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fortan auch jeder andere Landungsversuch bei 
Rodosto und Scharköj scheitern, da die Bul 
garen sich inzwischen durch Minenlegung gegen 
Landungen gesichert haben. 
Der Vollständigkeit halber möchte ich eine 
unfreiwillige Landung türkischer Truppen nicht 
unerwähnt lassen. Trotz des Widerspruches des 
verantwortlichen Kapitäns war das Schiff 
Ar. 40, wenn ich nicht irre, in Stambul, 
stärker mit Artillerie und Infanterie beladen 
worden, als seine Tragfähigkeit zuläßt. Infolge 
dieser Überlastung sah sich der Kapitän aus der 
Fahrt nach Gallipoli genötigt, sein Schiff bei 
der Insel Marmara auflaufen zu lassen, um es 
vor vollständigem Untergang zu bewahren. Ge 
schütze und Munition wurden über Bord ge 
worfen und das Schiff darauf ganz entladen. 
Die Truppen sollen sich in den Ortschaften an 
der Küste in Ouartier befinden. 
Ich fasse meine Beobachtungen und Erleb 
nisse dahin zusammen: 
1. Die Schiffe waren falsch beladen. 
2. Die Mittel zur Ausschiffung an Bord 
der Transportdampfer waren unzureichend und 
Landungsstege fehlten. 
3. Bei der Entladung war auf den Schiffen 
keine einheitliche Leitung. 
4. Falsche Reihenfolge bei der Schiffsent 
leerung. 
5. Versagen des Intendantur- und des 
Vachschubwesens. 
Mas diesen letzten Punkt betrifft, so war 
an Bord der Schiffe Verpflegung nur für 
4 bis 5 Tage vorgesehen. Woher sollten die 
Truppen und Pferde verpflegt werden, wenn 
die Landung bei Scharköj gelungen wäre? 
Wollte man aber eine schwimmende Stadt 
vor Gallipoli unterhalten, so hätte man für 
schwimmende Magazine Sorge tragen müssen. 
So aber trat Mangel ein, wie ich am eigenen 
Leibe erfahren habe, auf den Schiffen war 
tagelang kein Brot, kein Wasser, vom Lande 
wurde trotz aller Bitten nichts gebracht, die 
Folge war Entkräftung; Erkrankung von Leuten 
und Pferden und mancher Todesfall ist allein 
diesen tagelangen Entbehrungen Muschreiben. 
Denn bei aller Genügsamkeit hat selbst der 
türkische Soldat noch nicht gelernt, von Schnee, 
Luft und trockener Tablette samt einigen Oliven 
Mieden, namentlich nicht in den frostkalten Räumen 
der ungeheizten Schiffe. 
Im Türkenlager bei Hademköj. 
Ehe wir M der notwendigen Zusammen 
fassung der Ereignisse während des Kriegs 
abschnittes übergehen, sei noch ein Konstanti- 
nopler Brief der „Hamburger Rachrichten" er 
wähnt, der interessante Einblicke in das türki 
sche Lagerleben bei Hademköj gewährt. Es heißt 
da unter anderem: 
Es ist gar nicht so leicht, dem türkischen 
Heere in Hademköj einen Besuch abMstatten. 
Besondere Empfehlungen öffneten mir die Türen 
M dem hart geplagten Obersten Dschemal Bey, 
dem stellvertretenden platzkommandanten von 
Konstantinopel, der mich in liebenswürdigster 
Meise empfing und mir die Erlaubnis erteilte, 
die Reise ins osmanifche Hauptquartier anzu 
treten. 
Auf dem Bahnhof Sirkedfchi bemerkt man 
sogleich, daß die noch im osmanischen Besitz 
befindliche Strecke der orientalischen Eisenbahn 
lediglich Kriegszwecken dient. Posten bewachen 
die Bahnsteige, auf denen ein buntes Gewimmel 
der zur Truppe fahrenden Mannschaften aller 
Waffengattungen, von Krankenpflegern des 
Roten Halbmondes und von Offizieren herrscht, 
und wo Lebensmittel, Geschosse, Schottersteine 
für schwere Befestigungen und allerhand sonstiges 
Kriegsgerät verladen werden. Einige Gen 
darmen begeben sich M den einzelnen Fremden 
und fragen in französischer, englischer oder deut 
scher Sprache nach Reiseziel und Ausweis 
scheinen. Als Ieitungsberichterstatter des „großen, 
befreundeten Deutschen Reiches" wird man 
recht höflich behandelt und nicht über Gebühr 
belästigt. 
Der Zug setzt sich mit nur geringer, a la 
Turca aber üblicher Verspätung in Bewegung 
und läuft an dem malerischen alten Serail, an 
der vorjährigen Riesenbrandstätte von Ischak 
Pascha, an den am Marmarameer gelegenen 
unteren Stadtteilen Stambuls und an der alten 
Ringmauer in gemächlicher Fahrt vorüber. Der 
Blick des Reisenden schweift über das von der 
Frühlingssonne beschienene, glitzernde Marmara 
meer bis hin M den Gestaden und Bergen 
Kleinasiens, dann Mrück über das Weichbild 
Konstantinopels und endlich nach Rorden über 
die eintönigen, graugrün schimmernden hügeligen 
Gefilde Thrakiens. Längs der Bahnstrecke er 
heben sich einzelne spitze Zelte, vor denen 
bärtige Redifs mit Gewehr bei Fuß Mache 
halten und den heranrollenden EisenbahnMg 
erwarten. 
In San Stefano steigen kleine Abteilungen 
des Roten Halbmondes ein, dann geht es ge 
mütlich am Flugübungsfeld mit seinen hellen 
Schuppen vorbei, nach der lieblichen Ortschaft 
Floria, die von dem Mr Erinnerung an das 
Jahr 1878 errichteten russischen Denkmal über 
ragt wird, dann an der Bucht von Kütschük 
Tschekmedsche entlang nach Spartakule, dem 
EtappenhauptlaMrett des ägyptischen und indi 
schen Halbmondes. Ein ziemlich langer Auf 
enthalt gibt Gelegenheit zur Betrachtung, llber 
den luftigen Krankenzelten, aus denen zahlreiche
	        
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