Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Kämpfe um Bulair. 
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vorsichtig gehen sie den Türken entgegen. Un 
gefähr mitten Mischen den Posten treffen die 
beiden Abgesandten zusammen, begrüßen sich 
militärisch, sprechen eine kur)e Weile und 
trennen sich dann wieder. Während des Ge 
spräches sieht man auf allen Hügeln und 
Höhen eine Menge Bulgaren, die diesen inter 
essanten Vorgang beobachten. Einige Soldaten 
benutzten diesen kurzen Waffenstillstand und be 
eilten sich, Mei entlaufene Pferde ein)vfangen. 
(setzt, eine Stunde später, haben wir die 
Einzelheiten. Es waren drei bulgarische Offiziere, 
die alle geläufig türkisch sprachen. Sie be 
haupteten, am Morgen habe ein türkischer 
Offizier ihnen durch Zeichen )u verstehen ge 
geben, das) er mit ihnen reden wolle. Der 
Friedensschluß sei in ein bis )wei Tagen )u er 
warten und so könne einer freundschaftlichen 
Unterhaltung nichts im Wege stehen. Es sei 
ja wahr, daß sich Türken und Bulgaren heute 
als Feinde gegenüberstehen, aber sie, die bul 
garischen Offyiere, hätten viele Freunde in 
Konstantinopel und hofften auch nach dem Krieg 
wieder auf ein freundschaftlich kamerad 
schaftliches Verhältnis. Dann erkundigten 
sich die Herren, ob Enver Bey in Galli- 
poli sei, ob man auf türkischer Seite wisse, daß 
Mahmud Schefket Pascha verboten habe, die 
bulgarische Stellung anzugreifen, da ihm bekannt 
sei, daß sie uneinnehmbar wäre, und ob den 
Türken auch schon der Fall Skutaris bekannt 
sei? Dann führten sie das Gespräch auf die 
Politik und meinten, die Großmächte hätten als 
Grenze die Linie Midi«—Enos vorgeschlagen, 
während die Bulgaren das gan)e besetzte Ge 
biet, das heißt also auch einen Anteil an der 
Marmaraküste verlangten, um aber Entgegen 
kommen )u zeigen, gäben sie sich heute mit 
Midia—Saros zufrieden. Der Türke antwortete 
auf alle Fragen ausweichend, und als er sah, 
daß es sich nur darum handelte, den türkischen 
Truppen entmutigende Vachrichten )u über 
bringen, brach er die Unterhaltung kur) ab, die 
weißen Fahnen verschwanden und schleunigst 
)ogen sich die beiden Parteien hinter die Ver 
schalungen zurück. 
Wir kamen durch diesen Zwischenfall mit 
mehrstündiger Verspätung )um linken Flügel 
)um Essen. Im großen Zelte war ein tadelloser 
Tisch gedeckt und es wurde uns ein aus sechs 
Gängen bestehendes Mahl vorgesetzt, man 
könnte kaum glauben, daß wir uns im Kriege, 
in nächster Vähe des Feindes befänden. Die 
Besprechung mit den bulgarischen Offyieren 
bildete fast den einzigen Gesprächsstoff. Man 
erkannte )u deutlich, daß hinter diesem merk 
würdigen Anschlußsuchen etwas anderes stecken 
müßte, und als nach unserer Vückkehr ins 
Hauptlager von den Vorposten Vachrichten ein 
liefen, wonach die bulgarischen Feldwachen ver 
stärkt und daß ungefähr 5 feindliche Bataillone 
gegen Sivri Tepe vorgeschoben seien, wurden 
sofort alle nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen, 
um einem etwa beabsichtigten nächtlichen An 
griffe begegnen. Die Feldwachen wurden verstärkt, 
die Posten verdoppelt und für dieVorpostenreserven 
Alarm)ustand angeordnet. Auch im Vorposten 
hauptlager wurde Alarmbefehl erteilt. Diese 
Vacht müssen alle Leute mit Gepäck und Ge 
wehr im Arm in den Zelten wachen. Unser 
Kommandeur wird kaum ein Auge schließen. 
Ich aber bin müde und lege mich aufs Ohr. 
Bis morgen werde ich schon wissen, was 
los ist. 
Die mißglückten türkischen Landungs 
versuche. 
Das türkische Heer befand sich also in einer 
keineswegs schlechten Verfassung und der Krieg 
hätte höchstwahrscheinlich eine andereWendung ge 
nommen, wenn es geglückt wäre, eine ent 
sprechende Anzahl von Truppen auf der Halb 
insel Gallipoli und vielleicht auch anderwärts 
)u landen. Wir haben an der Hand eines Be 
richtes des Korrespondenten der „Vossischen 
Zeitung" bereits einen Blick auf die türkischen 
Landungsversuche geworfen; warum sie miß 
glückt sind und mißglücken mußten, erzählt der 
Korrespondent in einem Brief, datiert vom 
4. Mär), dem wir das Folgende entnehmen: 
Sämtliche Landungsversuche der türkischen 
Armee an der Marmaraküste sind gescheitert, 
alle Anstrengungen und riesenhaften Vorbe 
reitungen für diesen Zweck sind umsonst gewesen 
und eine am 9. Februar gemeldete „siegreiche 
Schlacht" bei Muradli gehört, wie so vieles hier, 
ins Land der Fabel. 
Der Plan der türkischen Heeresleitung war, 
bei Scharköj eine Landung vor)unehmen und 
)u gleicher Zeit von Gallipoli aus einen 
energischen Angriff gegen die Bulgaren )u 
führen. So wären die Bulgaren bei Bulair 
Mischen )wei Feuer gekommen. Der Plan als 
solcher verdient alle Hochachtung. Wie aber war 
die Ausführung? 
In der Vacht vom 7. )um 8. Februar, 
um 1 Uhr, fuhr eine Flotte von etwa dreißig 
Transportdampfern, begleitet von den Kriegs 
schiffen „Barbarossa", „Messudijeh", „Torgut 
Veis" an der asiatischen Küste entlang, kreu)te 
bis gegen Mittag umher und richtete dann ihren 
Kurs auf Scharköj. 
Um 3 Uhr nachmittags begann man in dem 
Glauben, daß sich in Scharköj bulgarische 
Truppen befänden, das Feuer der Kriegsschiffe 
gegen diesen Ort )u richten. Unter dem Schuhe 
dieses Bombardements wurde aus den )ur Ver-
	        
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