Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Kämpfe um Bulair. 
DB 
daß auch bei ihnen kein Überfluß an Hafer 
und Heu ist. Lange will der Kommandeur hier 
nicht weilen und wir kriechen hinunter xum 
Meer, wo wir einen guten Blick in die feind 
lichen Stellungen haben. 
Hinter den Höhenxügen des Sivri Tepe 
sieht man deutlich die Lager von 4 bulgarischen 
Kompagnien. Am Golf auf einer Miese übt ein 
Bataillon. Die Posten laufen hin und her. 
Kavalleriepatrouillen reiten hinter dem Kirtschük 
Tschiflik. Offiziere besichtigen die Schützengräben 
und Befestigungen und auf jeder Höhe sieht 
eine kleine Gruppe und starrt sehnsüchtig hin 
über nach Bulair und seinen Merken. Ruf der 
anderen Seite des Golfs liegt halb geschützt 
durch eine Insel ein griechischer Transport 
dampfer; er hat Proviant und Vieh gebracht, 
kam während der Vacht und wird auch bei Vacht 
wieder verschwinden. Alle mohammedanischen 
Dörfer am anderen Ufer sind niedergebrannt 
und zerstört, aus den Trümmern steigt noch 
schwacher weißer Aauch. Vor uns, ebenfalls 
dicht am Meere, sehen wir auf kaum 500 Meter 
hinter einer künstlichen Hecke einen bulgarischen 
Posten; er hat uns entdeckt, winkt und bald 
schleicht sich ein zweiter Kopf heran. Massli 
drängt, er will mich nicht lange an dieser ge 
fährlichen Stelle lassen und so leid es. mir tut, 
ich muß zurück wieder zur Feldwache und dann 
zur Vorpostenreserve, wo eben die Ablösungen 
zur Front gehen. Immer in Abteilungen von 
20 Mann und in Abständen von 250 Meter, 
Mir verabschieden uns vom Kommandeur, über 
schreiten die tadellose Heerstraße, die von den 
Dardanellen heraufkommt, mit kleinen Steinen 
gepflastert und selbst für ein Automobil gut fahr 
bar ist. Lächerlich, wenn man denkt, daß, so 
bald ich auf dieser Straße nur 10 Minuten 
weitergehe, die feindlichen Kugeln mit völliger 
Sicherheit um meinen Kopf pfeifen würden. 
Die der Straße entlanglaufende Telegraphen 
linie ist zerstört, die Stangen umgeworfen und 
die Drähte liegen in wüstem Durcheinander auf 
der Straße, sehr beliebt bei den Soldaten als 
Schnüre für ihre Stiefel. 
Um 1 Uhr sind wir wieder im Lager, wo 
inzwischen Generalstabsoberst Vuri Bey, Kom 
mandeur der kombinierten Division aus der 
Merkefo Tabia als Gast zum Mittagessen ein 
getroffen ist, ein alter Freund aus Usküb, wo 
er längere Zeit Generalstabschef war. Lange 
sitzen wir zusammen, ich muß erzählen von 
meinen Erlebnissen bei der Mestarmee, von den 
Zuständen in Usküb und Makedonien. Vuri 
Bey hat seinen Stab mitgebracht, alles intelli 
gente Herren, und auch hier kann ich wieder 
feststellen, daß der Balkankrieg die Veigung für 
Deutschland außerordentlich gesteigert hat. Man 
ist den Deutschen tief dankbar, daß sie in der 
Presse die Interessen der Türken vertreten und 
macht kein Hehl von der Mißstimmung, die 
gegen die Staaten des Dreibundes immer mehr 
Platz greift. Den Vachmittag verbrachte ich in 
der Stellung der Artillerie, wo man im Scheren 
fernrohr ein prachtvolles Panorama vor sich hat. 
Links der Golf von Saros, rechts das Mar 
marameer, vor uns die Höhe von Sivri Tepe 
(235 Meter), während die höchste Stellung der 
Türken bei den Vorposten auf 165 Meter liegt. 
Jeden Augenblick eine interessante Abwechslung, 
einmal wechselt der Posten auf seiten des 
Gegners, dann sehe ich feindliche Patrouillen, 
welche sich an den kleinen Mald heranschleichen, 
um schnell wieder zurückzulaufen. Massli arbeitet 
in seinem Zelt. Ordonanzen bringen Depeschen 
und Briefe, Offiziere kommen und gehen, das 
Telephon kann keine Minute ruhig sein. Ein 
angestrengter Dienst. Dunkelheit senkt sich über 
das Lager. Das Abendessen wird im kleinsten 
Kreise eingenommen und dann lege ich mich 
nieder, müde von dem interessanten Vormittag 
und jetzt will ich schlafen. 
Mittwoch, 9. April. Der dritte Tag bricht 
an. Es ist 6 Uhr früh, eben geht die Sonne 
auf und im Lager ist schon reges Leben. Zu 
erst ein gutes Frühstück und dann wollen wir 
zum rechten Flügel der Vorposten, wo ich heute 
als Gast der Offiziere geladen bin. Die Pferde 
scharren schon ungeduldig vor dem Zelte, da 
tutet das Telephon von der Feldwache und der 
dortige Befehlshaber meldet, daß ein bulgari 
scher Offizier, begleitet von einem Soldaten mit 
weißer Fahne, sich dem Posten auf 300 Meter 
genähert und einen Brief niedergelegt habe, 
der durch einen Veiter dem Regimentskomman 
deur gebracht würde. Maffli meldet den Vor 
fall sofort dem Hauptquartier nach Gallipoli 
und nun warten wir auf den Brief. Endlich 
sprengt die Ordonanz herbei und bringt einen 
schmutzigen Zettel, der in schlechtem Französisch, 
gutem Deutsch, Türkisch und Bulgarisch, fol 
gende Morte enthielt: „Ich möchte gerne eine 
halbe Stunde mit Ihnen sprechen. Oberleutnant 
Alexandrew, p. S. Erwarte Ihre Antwort!" 
Sofort wird der Inhalt des Misches an das 
Hauptquartier weitergegeben und umgehend 
trifft die Antwort ein, man möge einen der 
französischen Sprache mächtigen Offizier dem 
bulgarischen Parlamentär entgegensenden. Der 
Kommandeur der Vorpostenreserve des linken 
Flügels wird beauftragt. Ich laufe schnell zur 
Artilleriestellung und bald sehe ich durch meinen 
vorzüglichen „Busch" den türkischen Offizier, 
begleitet von einem Soldaten mit weißer Fahne, 
aus der Verschanzung heraustreten und sich der 
bulgarischen Stellung nähern. Einige Minuten 
später erscheint dort eine kleine Gruppe von 
drei Mann, ebenfalls mit weißem Tuch, und
	        
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