Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Kämpfe um Bulair. 
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treten war, die während der Nacht alle gegen 
die bulgarischen Stellungen führenden Straßen 
mit Doppelposten beseht und Patrouillen längs 
der ganzen Linie aussendet. In unserem luftigen 
Speisesaal war inzwischen große Tafel gedeckt. 
Wassli Bey hatte seinem Gast zu Ehren sein 
ganzes Offizierskorps geladen. Bei einfacher 
aber kräftiger Kriegskost und einem guten Schluck 
kühlen — Wassers — jedes andere Getränk 
ist im Lager zu meinem größten Leidwesen ver 
boten — wurde hier die militärische Lage be 
sprochen. Ium Schluß hielt der Kommandant 
eine mich angehende Rede an seine Offiziere, 
deren Inhalt ich nicht wiedergeben möchte, dann 
verabschiedeten wir uns. 
Es geht auf 8 Uhr, da muß alles ins Bett, 
um am Morgen um 3 Uhr bereit zu sein, dem 
ersten Alarmruf zu folgen. Ich ging mit dem 
Kommandeur in sein Zelt, wo wir noch lange 
keine Nuhe fanden, denn entweder ließ der 
große Telephonapparat sein Trrr trrr, oder das 
fernglas die Aufstellung der feindlichen Artillerie, 
ihre Posten und Patrouillen an und konnten auf 
der Spitze des Sivri Tepe ganz deutlich eine 
große weiße Fahnenstange erkennen, an der die 
bulgarische Trikolore flatterte. Im Weitergehen 
erzählte mir Wassli, daß, als vor einigen Ta 
gen die Bulgaren eine zweitägige Waffenruhe 
verlangt hatten, um die zwischen den feindlichen 
Stellungen liegenden Leichen der Soldaten und 
Pferde zu begraben, von jeder Seite 5 Arzte 
und 60 Mann ausgesandt wurden. Hierbei 
kamen die türkischen und bulgarischen Truppen 
in nähere Berührung und der bulgarische Land 
sturm soll ganz offen seinen Unwillen über die 
lange Dauer des Krieges Ausdruck gegeben 
haben. Nun sei es aber genug, 6 Monate in 
Schnee, Kälte und Negen zu liegen, die Felder 
unbestellt zu lassen und zu hungern, wo die 
Neichen in guten warmen Häusern bei gut ge 
deckten Tischen säßen. Das könne nicht so fort 
gehen und das wollten sie nicht länger mit 
kleine Feldtelephon sein tö-lö vernehmen. Gegen 
10 Uhr wurde die neueste Agencedepesche von 
Gallipoli übermittelt, dann legten wir uns nieder 
und schliefen, um gegen Mitternacht durch einen 
mächtigen Krach aufzuwachen. Selbstverständlich 
glaubten wir zuerst an Kanonendonner, es war 
aber wirklicher. Ein ganz echtes Gewitter war 
aufgezogen und entlud sich unter Sturm und 
Negen über dem Lager. Waffli sprach sofort 
alle Feldwachen an, gab einige Anordnungen, 
dann legten wir uns wieder aufs Ohr und ich 
schlief bis in den hellen Morgen. 
Dienstag, 8. April. Die erste Nacht vor 
dem Feinde war soweit ruhig verlaufen. Das 
Gewitter hatte sich schnell verzogen, nur der 
heftige Wind wurde noch stärker und die kleinen 
tragbaren Ielte flatterten wie die Fahnen. Der 
Kommandeur nahm die Nachtrapporte entgegen, 
gab neue Befehle aus, telephonierte nach allen 
Dichtungen und endlich war er frei. Diesmal 
kletterten wir zu Fuß zum linken Flügel am 
Golf von Saros. Im Vorbeigehen besuchten 
wir die Artillerie, sahen uns durch das Scheren- 
Balkankrieg. II. 
machen. Stimmen diese Ansichten, so dürfte die 
vor einigen Tagen bekannt gewordene Ent 
lassung des Landsturms sicher mit dieser Stim 
mung der Truppen zusammenhängen. Inzwischen 
waren wir am linken Flügel angekommen. Das 
Gelände ist hier durchwegs mit Wein bepflanzt. 
Die dienstfreien Soldaten sind dabei, die Neben 
zu schneiden, deren Besitzer während des Krie 
ges diese Arbeit natürlich nicht ausführen können. 
Als Bezahlung nehmen sich die Soldaten für 
ihre Mühe den in der ganzen Umgegend ange 
bauten Spinat und anderes Gemüse, wodurch 
eine angenehme Abwechslung in die Küche ge 
bracht wird. Wir schauen uns den Spaß an, 
unterhalten uns mit den Offizieren und dann 
gehen wir weiter zu den Feldwachen, von wo 
wir zu den äußersten Posten hinauskriechen. 
Hier sind wir dicht beim Feinde. Knapp 600 
Meter vor uns liegen die bulgarischen Posten. 
Ab und zu stecken die Bulgaren ihre Köpfe 
über die Böschung. Nechts in der Ebene weiden 
die Pferde des Feindes auf einer mageren 
Weide in Schußbereich der Türken, ein Beweis, 
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