Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Nn der Tschataldschafront. 
ußerordentlich instruktiv für die Beur- 
teilung der Vorgänge auf dem thra^i- 
schen Kriegsschauplatz sind Berichte, 
die der „Kölnischen Zeitung" vom 
zweiten Drittel des Mär) ab aus Hademköj, 
dem Hauptquartier der türkischen Armee, zu 
gegangen sind. Der Berichterstatter, der das 
Glück hatte, mehr )u sehen als andere, und 
der auch )u sehen verstand, meldet: 
Hademköj, 11. Mär). 
wur ein Zug geht täglich planmäßig )um 
Hauptquartier, und wer mit ihm reisen will, 
muß )uerst die umständlichsten Förmlichkeiten 
durchmachen. Zunächst bedarf der Weisende eines 
Freipasses des Oberkommandierenden I))et 
Pascha, der vom Kommandanten von Kon 
stantinopel, Dschemal Bey, visiert werden muß. 
Dieses wichtige Papier wird dem diensttuenden 
Offi)ier am Bahnhof vorge)eigt und dann er 
hält man wieder einen roten Zettel, dessen eine 
Hälfte an der Kasse gegen einen Fahrschein 
umgetauscht wird; und dessen )weite Hälfte 
man auf der weise auf Verlangen vor)eigen 
muß. Hat man nun all dieses pünktlich erledigt, 
und das gelingt den wenigsten gleich beim 
erstenmal, dann ist man richtiggehender weisen 
der. Im Zuge wird dann selbstverständlich noch 
viermal nachgefragt und aufgeschrieben, und 
jedesmal muß das kostbare Schriftstück vorge- 
)eigt werden. Die weise selbst ist interessant, 
aber langsam. Für die 50 Kilometer bis Ha- 
demköj braucht man nicht weniger als 3 l /s Stun 
den. Zuerst sieht man bei Jeni Kapru die 
wuinen des letzten großen Brandes. Die mili 
tärische Bewegung macht sich erst in Makriköj 
bemerkbar. Hier liegen rechts und links der 
Bahn Abteilungen des 10. Korps und nun 
sieht man überhaupt nur Militär. In San 
Stefano wimmelt es. Der Bahnhof, der )u ge 
wöhnlichen Zeiten von der feinen Welt peras 
belebt ist, ist jetzt Stapelplatz für Militär. Die 
Wartesäle sind in Maga)ine umgewandelt, die 
gegenüber dem Bahnhof neuerrichtete wotrampe 
trägt Berge von Mehl und Getreide; man hat 
gelernt und scheint jetzt auf die Verproviantierung 
der Truppen mehr Gewicht )u legen. Bei der 
Ausfahrt aus dem Bahnhof sieht man linker 
Hand eine große, elegante Sommervilla in 
herrlichem Garten. Hier flattert um das Tor 
die rot-weiße Fahne, das Zeichen des Kom 
mandeurs; es ist dies Hurfchid Pascha mit 
seinem Generalstabschef Enver Bey, die sich hier 
häuslich niedergelassen haben. Das 10. Korps, 
das )uerst nach Gallipoli und Scharköj ge 
schickt war und dort die Landung unverständ 
licherweise abbrechen mußte (die Schilderungen 
der Korrespondenten von der „Vossischen Zeitung" 
erklären den Grund hiefür), hat sich nun den 
schönsten Sommeraufenthalt der peroten aus 
gesucht und scheint sich hier recht wohl )u 
fühlen. Die Häuser der Fremden tragen die 
Fahnen ihrer Länder und werden geschont, die 
der osmanischen Untertanen sind alle belegt und 
dürften diesen Sommer von den Besitzern kaum 
mehr be)ogen werden. Von San Stefano an 
gefangen, sieht man rechts und links der Bahn 
ununterbrochen Zeltlager. Die Truppen üben, 
die Bahnwache präsentiert, und wer gerade 
dienstfrei ist, läuft neben dem langsam kriechen 
den Zuge her und bettelt um Zeitungen, die 
denn auch von mitfahrenden Kameraden reich 
lich verteilt werden. Stellenweise sieht man noch 
Schnee, aber die Sonne der letzten Tage und 
der heftige Südwind werden auch bald den 
west des Winters wegwischen. Im Zuge selbst 
ist nur Militär, Alles will )um Hauptquartier. 
An jeder Station sieht man die Zelte des 
woten Halbmondes und überall wird an der 
Verbesserung und Herrichtung der Straßen ge 
arbeitet. An jeder Haltestelle sind Baracken und 
Wampen angelegt und überall ist Proviant in 
reichlichem Maße aufgestapelt. 
Gegen 3 Uhr nachmittags haben wir Hadem- 
köj vor uns. Dicht am Bahnhof wieder ein 
großes Lager des woten Halbmondes in Hol)- 
baracken, alle Höhen und Hügel sind mit Zel 
ten und Barackenlagern besät. Das Haupt 
quartier ist in einem Sonder)ug auf einem 
toten Geleise untergebracht. Hier sehe ich schon 
von weitem einen alten Freund, einen General 
stabsmajor, der noch im letzten Sommer mit 
mir beim Stab Ismail Fasil Paschas im Her- 
)en Albaniens in Djakova war. Ich frage ihn 
nach pertew Pascha und sofort führt er mich 
)um )weiten Generalstabschef der Armee, der in 
einem geräumigen Abteil erster Klasse gerade über 
der Karte grübelt. Eine kur)e Begrüßung und 
dann erhalte ich als Wohnung ein wachbar-
	        
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