Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Fortsetzung der Belagerung von Skutari. 
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seinen Eifer im Zusammenscharren von Geld 
und Grundbesitz kaum sehr bewundern, allein 
seine treuen Anhänger, von denen er in 
24 Stunden einige 500 Mann aufbieten konnte, 
brachten jedenfalls in der Nachbarschaft alle 
Kritik des Häuptlings zum Schweigen. Sein 
Ruf drang bis zu den Ohren Abdul Hamids, 
der seinen Bruder Gani Bey Toptani, einen 
liebenswürdigen, schönen Halunken, zu seinem 
Flügeladjutanten machte und dafür sorgte, das) 
Essad, der eine Offiziersstelle in der Gen 
darmerie bekleidete rasch befördert wurde. Gani 
Bey wurde nach einer Kette von tragischen 
Vorfällen in Konstantinopel ermordet und ein 
Standesgenosse erschoß aus Rache dafür den 
Sohn eines Großwesirs. Essad aber wurde als 
Haupt der Gendarmerie nach Zanina verseht 
und erhielt den Rang als Brigadegeneral. In 
Ianina geriet er mit Tatar Osman Pascha an 
einander, den sein zornmütiges und liederliches 
Wesen in eine ganze Anzahl schlimmer Ärger 
nisse verwickelte. Essad setzte der Zügellosigkeit 
Tatar Osmans eine berechnete Strenge ent 
gegen, machte eines Abends eine Razzia durch 
die übelberufenen Häuser der Stadt, stieß dort 
auf Tatar Osman Pascha und ließ diesem, der 
sich weigerte, seinen Ramen zu nennen, eine so 
gründliche Tracht Prügel verabreichen, wie sie 
wohl selten ein hoher Beamter empfangen hat. 
Bald darauf zog sich Essad eine Meile auf 
seine Güter zurück, bis ihn die Umwälzung von 
1008 wieder in Tätigkeit setzte. Er wurde 
schleunigst Iungtürke, wurde durch den Einfluß 
seines Anhanges zum Abgeordneten für Durazzo 
gewählt, schloß sich in der Kammer der alba- 
nesischen Partei an und wurde ein Dorn im 
Fleische des Komitees für Einheit und Fort 
schritt. Mährend der Ereignisse der Jahre 1910 
und 1911 stand er der Regierung sehr kritisch 
gegenüber, allein früh im Jahre 1912 bewog 
ihn Hadschi Adil Bey, der damals als Haupt 
eines Reformausschusses Albanien bereiste, als 
Kandidat des Komitees bei den Mahlen auf 
zutreten. Er wurde natürlich gewählt, fiel aber, 
als die Komiteepartei zurückging, schleunigst von 
ihr ab und gab offen seine Sympathien für 
seine aufständischen Landsleute kund. Bei seinem 
letzten Erscheinen in der Kammer setzte es dann 
stürmische Auftritte ab und bei der Auflösung 
soll er den Präsidenten Halil Bey bedroht 
haben und mußte von der Polizei aus dem 
Saal geschleppt werden. 
Er ging wieder in seine Heimat zurück und 
warf sich dann mit einer größeren Anzahl 
albanesischer Milizen, etwa einer Division, in 
die Stadt Skutari, als die Montenegriner sich 
zur Belagerung der Stadt anschickten. 
Es ist nicht verwunderlich, daß der Türke 
Haffan Riza und der albanesische Gewaltmensch 
Essad Toptani sich nicht besonders gut ver 
tragen konnten. Den Oberbefehl behielt natür 
lich Haffan Riza, und das bereits scheint Essad 
ein Dorn im Auge gewesen zu sein. Es kam 
jedoch später eine Art Aussöhnung zwischen 
den beiden zustande. Essad fügte sich anscheinend 
den Befehlen Hassan Rizas, unterließ es auch, 
ferner die albanesische Flagge zu hissen — er 
mochte trotz der Belagerung bei seinen guten 
Beziehungen zur Außenwelt bereits Kenntnis 
von dem Beschluß der Botschafterkonferenz in 
bezug auf Albanien erhalten haben — und lud 
am Abend des 30. Januar Haffan Riza zum 
Rachtmahl zu sich. Rach den Angaben Effads 
hat dieser nach dem Rachtmahl Hassan Riza 
seinen eigenen Adjutanten zur Begleitung an 
geboten. Hassan Riza habe indessen abgelehnt. 
Am anderen Morgen fand man den Komman 
danten von Skutari ermordet auf der Straße 
liegen. 
Gino Berri, der miteingeschlossene Bericht 
erstatter des „Corriere della Sera" schreibt in 
seinem Tagebuch: 
31. Januar: Gestern abends ist Haffan 
Riza Bey ermordet worden. Er war zum Essen 
bei Essad Pascha; die beiden Quartiere sind 
nicht weit voneinander entfernt. Gegen 8 Uhr 
abends brach der Mali auf; die 5 bis 6 Mann 
Bedeckung, die ihm Effad Pascha mitgeben 
wollte, ließ er zurück. Er nahm aber dann die 
Begleitung des Adjutanten Effads an, schickte 
ihn aber kurz vor seinem Hause wieder zurück 
und ging allein durch die unbeleuchtete Straße 
weiter, plötzlich abersah er vor sich drei Schatten; 
er rief sie an; die drei, wahrscheinlich Griechen 
oder Albanesen, verstanden jedoch kein Türkisch 
und antworteten nicht; der Mali ging weiter 
und ließ die verdächtigen Gestalten hinter sich; 
kaum hatte er ihnen den Rücken gewandt, als 
drei Schüsse fielen. Zwei trafen, davon einer 
in den Unterleib. Als man den Verwundeten 
aufnahm, wußte man bereits, daß es mit ihm 
zu Ende gehe. Rach 5 Stunden der Agonie 
starb er gegen 2 Uhr morgens. Ganz zuletzt 
bat er noch Effad Pascha, der, wie viele Offi 
ziere, schleunigst an sein Lager geeilt war, für 
seine Familie zu sorgen; er empfahl ihm beson 
ders seinen Sohn, der von dem Meuchelmord 
nichts erfahren sollte. Man solle ihm sagen, 
sein Vater sei von einer feindlichen Kugel im 
Kampfe getroffen worden. Dann ließ er seine 
Umgebung schwören, daß sie das Vaterland 
bis zum letzten Blutstropfen verteidigen wollten. 
4. und 5. Februar: Effad Pascha wird nun 
Kommandant; er nimmt die Feindseligkeiten 
mit Energie wieder auf. Allein in den Vor 
mittagsstunden des 5. Februar fallen 400 Mann. 
Soweit der Korrespondent, der seine Rach- 
richten naturgemäß von dem neuen Herrn in
	        
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