Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Fortsetzung der Belagerung von Skutari. 
den. Der Hotelbesitzer erwiderte höflich, das tue 
ihm leid, aber wenn er die Fahne eingehe, sei 
er in gleicher Lage. Darauf schickte Aya Bey 
eine kleine Abteilung Soldaten zur Verstärkung 
des Befehls, dazu die Erlaubnis, die Fahne 
Tag und Nacht nur nicht während der Be 
schießung auf dem Dache zu lassen. Hierauf 
antwortete der Hotelbesitzer, darauf ginge er ein 
— nur umgekehrt. Der Führer der Truppenab 
teilung drohte nun, er hätte Befehl, das Ein 
ziehen der Fahne zu erzwingen, sonst ... Er 
bekam aber zur Antwort: ..Niemand wird die 
Fahne berühren. Der österreichische Konsul hat 
sie mir gegeben und nur von ihm nehme ich 
Befehle an." Damit verließ er das Zimmer. 
Als er zurückkam, wehte die Fahne noch auf 
seinem Hause, aber Aya Beys Abgesandte 
waren verschwunden. 
Guelfo Civinini, ein anderer italienischer 
Kriegsberichterstatter, war durch das Entgegen 
kommen der serbischen Offyiere in den Aeihen 
der Belagerer bis in die vordersten Laufgräben 
gelangt und berichtete darüber merkwürdige Dinge: 
Da Freund und Feind einander so nahe 
sind, benutzten sie die Gelegenheit, nicht nur 
Kugeln, sondern auch Meinungen und Pro 
viant zu wechseln. Manchmal plaudert man ge 
mütlich, zu anderen Zeiten wieder ergeht man 
sich in erbitterten Schmähungen. Das geht recht 
gut, weil viele Türken serbisch und montene 
grinisch und zahlreiche Belagerer türkisch sprechen. 
In einem Laufgraben auf montenegrinischer 
Seite gebrach es an Brot, während die Türken 
in ihren Laufgräben kein Fleisch hatten. Als 
bald beginnt man zu verhandeln und nach 
kurzem Mortwechsel wird ein kurzer (sehr 
kurzer!) Waffenstillstand geschlossen. Zwei Türken 
kommen aus dem sicheren Schutz des Lauf 
grabens. Auch zwei Kämpfer Montenegros 
trennen sich von den ihren. Brot wird gegen 
Fleisch ausgetauscht und dann kehrt man fried 
lich zurück, um alsbald die Feindseligkeiten 
wieder aufzunehmen. 
Ein anderer Vorfall der Art: Ein Monte 
negriner redet einen Türken an: ..Nun, wie 
gehts?" — „Mir ginge es besser, wenn ich 
eine Jigarrette hätte." — „Ich habe eine!", ist 
die Antwort, „hole sie Dir!" — „Wenn du 
mir versprichst, nicht zu schießen, komme ich." 
— „Einverstanden!" Der Türke überlegt noch 
ein wenig, aber die Aussicht auf eine Zigarette 
lockt zu sehr. Er kommt hinter der schützenden 
Erde hervor, geht zum Laufgraben der Monte 
negriner, erhält wirklich eine Zigarette von 
seinem Feinde und kehrt wieder um. Er hat 
dabei aber nicht bedacht, daß er seine Ab 
machung, daß nicht geschossen wird, nur mit 
einem Laufgraben getroffen hat. Natürlich wird 
von allen anderen Gräben her gefeuert. 
Zu anderen Zeiten, wenn die Stimmung 
der Belagerer schlecht ist, hört man die blumen 
reichsten orientalischen Beleidigungen, die über 
Entfernungen von 50 Metern mit Stentorstimme 
geschleudert werden. In der Nacht, in welcher 
der Italiener im Lager der Belagerer erschien, 
war wegen des schlechten Wetters auch die 
Stimmung der Soldaten schlecht und es regnete 
förmlich beleidigende Zurufe. 
* * * 
Das Idyllische war aber doch wohl sehr 
selten in diesem mit barbarischer Mildheit ge 
führten Kriege. In Skutari, der belagerten 
Stadt, herrschte der Hunger und auch der 
Mord ging um. 
Die Ermordung Hassan Aizas. 
In Skutari kommandierten Haffan Aiza 
und Effad Pascha Toptani, ein Türke und ein 
Albanese. Effad Pascha Toptani, nicht zu ver 
wechseln mit dem Verteidiger von Janina, hatte 
sich kurz vor der Umschließung aus Nord- 
albanien mit einer größeren Zahl von Milyen 
nach Skutari geworfen, wo Haffan Aya die 
Garnison kommandierte. Die Beziehungen zwi 
schen den beiden schienen sich nicht allzu freund 
lich gestaltet zu haben,- es ist notwendig über 
die Persönlichkeiten der beiden einiges zu sagen. 
Jmhoff Pascha, der Hassan Aiza und Effad 
Pascha Toptani persönlich kannte, schrieb nach 
der Einschließung von Skutari über die beiden: 
Hassan Aiza Bey, der Leiter der Verteidi 
gung von Skutari, Oberst, etwa 40 Jahre alt, 
ist der Sohn von Namuk Pascha, der zuletzt 
Generalgouverneur von Bagdad war. In Kon 
stantinopel geboren und 1889 in den Dienst ge 
treten, absolvierte der Bey die Militär- und 
Generalstabsschule mit hervorragendem Erfolge, 
wurde dann mit der fünften Aate der von der 
Türkei entsandten Offiziere 1908 nach Deutsch 
land kommandiert, tat beim Aegiment 145 in 
Metz Dienst und wurde nach seiner Aückkehr 
als Lehrer an den Schulen, sowie im General 
stabe verwendet, und schon 1903 zum Ferik 
(Divisionskommandeur) befördert. 
Nach der Aevolution begleitete er Nazim 
Pascha als Stabschef des zweiten Ordus nach 
Adrianopel und wirkte dort auch nach Nazims 
Ersatz durch Abdullah Pascha anregend und 
fruchtbar im Kameradenkreise und Dienste. 
Durch das Gesetz betreffs Ausgleichung der 
Offiziersgrade wurde Aiza Pascha wieder 
Oberstleutnant und Bey. Nazim Pascha, der 
nach Bagdad zur Aegelung der dortigen äußerst 
schwierigen Verhältnisse auserwählt war, nahm 
ihn als Stabschef wieder mit, wobei Haffan 
Aiza wieder Oberst wurde. Im fernen Osten
	        
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