Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Fortsetzung der Belagerung von Skutari. 
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lich ist alles von serbisch-montenegrinischen 
Truppen blockiert. 
Die Lage in Skutari ist unhaltbar. Die 
Leute leiden unter Hunger, Krankheit, Kälte 
(kein Höh, keine Kohlen), unter den Granaten 
und Schrapnells, die vom Bardagnol, von 
Buschatti und anderen Forts auf Skutari fallen 
und die Häuser in Brand stecken, was man von 
hier aus gut sieht. Ob durch Kapitulation oder 
Eroberung — Skutari wird fallen, das ist ge 
wiß. Charakteristisch sind zwei Briefe, die bei 
Flüchtigen aus Skutari gefunden wurden. Die 
Briefe waren nach Nom an eine hochgestellte 
Persönlichkeit im Vatikan bestimmt und stamm 
ten von katholischen Priestern, Mönchen des 
Franziskaner-Ordens, aus dem blockierten Sku 
tari. Der eine Brief ist vom 2. Februar datiert, 
also 4 Tage vor dem Angriff der Verbündeten 
und lautet: 
..Da dieser Brief in fremde Hände kommen 
kann und dadurch Verdacht hervorrufen, sogar 
nicht expediert werden könnte, werde ich mich 
nur auf einige Dinge beschränken. Durch Gottes 
und des Heiligen Franziskus Hilfe sind wir 
(Mönche) in Skutari gesund. Trotz des allge 
meinen Jammers, der für Augenzeugen herz 
zerreißend ist, haben wir Mönche bis jetzt nicht 
unter Hunger zu leiden gehabt. Wenn ich Ihnen 
später offen schreiben kann und wenn Sie dann 
meinen Brief erhalten, werde ich auch das an 
dere sagen können. Für jetzt sollen Sie mit diesen 
paar Worten vorlieb nehmen. 
Hier in Skutari leben wir in großer Furcht, 
da wir nichts über das künftige Schicksal dieser 
unglücklichen Stadt wissen. Es sind schon 3 Mo 
nate her, daß wir von allen Seiten abgeschnitten 
sind, so daß die ganze Kommunikation mit der 
Außenwelt unterbrochen ist. Seit dem 5. No 
vember haben wir in Skutari keine Post be 
kommen. 
Vorgestern (31. Januar) hat man vor Ihrem 
(dem bischöflichen) Hause den Wali Pascha, den 
Generalgouverneur von Skutari ermordet. Er 
war General in der türkischen Armee und Gou 
verneur von ganz Albanien. 
Der Gott, der uns bis jetzt schützte, wird 
uns auch weiter beschützen. Wir sind so not 
leidend, daß wir wie die ärmsten Leute schlafen 
(ohne Decken). Jm Volke gibt es viele, die vor 
Hunger sterben, und wenn das so fort geht, ist 
unser Leben in Skutari bedroht. 
Wir als gute Söhne beten zu Gott für Sie, 
unseren guten Vater. Pater Domenico." 
Dieser Brief bedarf keines Kommentars. Es 
muß bemerkt werden, daß die Lage in Skutari 
jetzt zehnmal schlimmer ist, als vor den letzten 
Angriffen. Das ist die allgemeine Überzeugung 
in unserer ganzen Armee. 
. * „ * 
Dieser von serbischer Seite kommende Bericht 
ist nicht allzu hoch einzuschätzen. Indessen kom 
men auch von der anderen Seite Meldungen, 
daß in der belagerten Stadt der Hunger ein 
gekehrt war, und daß die Einwohnerschaft Man 
gel litt. 
..Vichts zu essen und kein Geld" — das 
ist der Kehrreim in Skutari. Viele, viele Wochen 
dauert die Belagerung schon und Türken und 
Christen sehen dem Hungertode entgegen. So 
berichtete Gino Bern, der Mitarbeiter des 
„Eorriere della Sera", der aus der belagerten 
Stadt seinem Blatte einen Abschnitt seines 
Tagebuches konnte zukommen lassen. Die vom 
Hunger gepeinigten Einwohner verlassen beim 
hellichten Tage die schützenden Häuser und 
Straßen und suchen unter den Augen des Fein 
des in der Nachbarschaft eine Handvoll Korn 
aufzuraffen. Manchmal lassen die Montenegriner 
dies ruhig geschehen, manchmal aber werden 
die Waghalsigen mit einem Kugelregen über 
schüttet und dann werden viele verletzt und ge 
tötet. 
Die Armen und Elenden, die Bettler, die 
sonst kaum etwas zu beißen haben, fallen natür 
lich als erste Opfer des Hungertodes. Schlimm 
steht es aber auch unter den Beamten. Von 
Gehaltszahlungen kann jetzt überhaupt nicht 
mehr geredet werden. Einige der Beamten konn 
ten sich bis vor einiger Zeit auf eigene Faust 
gewisse Einnahmen verschaffen, nämlich die Tele 
graphenbeamten. Sie hatten aus eigener Macht 
vollkommenheit die Gebührensätze auf das Drei 
fache erhöht. Seitdem aber die telegraphische 
Verbindung nicht mehr besteht, haben sie über 
haupt keine Einnahmen mehr und so sind sie 
seit wenigstens 2 Monaten ohne Gehalt wie 
die übrigen Beamten. 
Die Maßregel der Negierung, Zucker, Mehl, 
Neis, Petroleum und andere Gegenstände des 
täglichen Bedarfes mit hohen Abgaben zu be 
legen, hilft jetzt auch nichts mehr, weil nichts 
von diesen Dingen vorhanden ist, wofür Ab 
gaben zu erheben wären. Der neueste Gedanke 
Niza Beys war nun der, die gesetzlichen Be 
stimmungen mit eiserner Strenge walten zu 
lassen und die geringste Übertretung mit einer 
Geldstrafe zu ahnden. Anfangs flössen auf diese 
Weise geringe Beträge in die Negierungskassen, 
aber das Endergebnis war, daß man in Sku 
tari musterhaft lebte und das also gar keine 
Strafgelder eingingen. 
Aber auch aus dieser Schwierigkeit wußte 
Niza Bey einen Ausweg. Er verfügte, ..daß 
die wohlhabenden Einwohner Skutaris ihm 
10.000 türkische Pfund zu leihen hätten". Niza 
Bey gab übrigens nicht an, wozu er diese 1O.O0O 
Pfund (über 180.000 Mark) verwenden wolle, 
sondern ließ einfach eine Liste der „wohlhaben
	        
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