Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Einnahme von Janina. 
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deren Spitze einige Soldaten und auch Eo 
zänen schritten, die von der Menge stürmisch 
begrüßt wurden. In kurzer Reihenfolge er 
schienen nun die Extrablätter, die die Tele 
gramme vom Kriegsschauplätze brachten. Die 
Einzelheiten des 24stündigen allgemeinen An 
griffs auf die Festungen von Janina sind wirk 
lich staunenerregend. 
Am 4. Märx waren alle Vorbereitungen, 
die dem allgemeinen Ansturm vorhergegangen 
waren, beendet, und Kronprin) Konstantin, der 
Oberbefehlshaber der Armee, beorderte ein all 
gemeines Feuer auf sämtliche feindlichen Stel 
lungen. Die Artillerie eröffnete nun ein wahres 
Höllenfeuer von allen Seiten, auf das die 
Festung Bisani anfangs nicht erwidert. Später 
erst fing sie an )u schießen. Der Zweikampf der 
Artillerie war der denkbar furchtbarste. Von 
Seiten der Griechen sollen 30.000 Geschosse 
abgefeuert worden sein. Bei Einbruch der Rächt 
ließ der Kampf an Heftigkeit etwas nach. 
Während des Artilleriefeuers in der Rächt vom 
Dienstag )um Mittwoch, 5. Mär), sammelt sich 
ein starkes Infanteriekorps der griechischen 
Armee auf deren linken Flügel und stellte sich 
gegenüber der westlichen Front der türkischen 
Festung auf der Linie Manoliassa auf. 
Bei Tagesanbruch machte auch der rechte 
Flügel Anstalten )u einem Angriff, um den 
Feind an dieser Stelle )u beschäftigen, denn 
dieser erwartete stets den Angriff von jener 
Seite, da die links liegenden Forts als unein 
nehmbar betrachtet wurden. Gleich)eitig führte 
aber der linke Flügel einen Sturmangriff mit 
dem Bajonett aus. Rach dem siegreichen Vor 
dringen des linken Flügels, der die Forts Bi 
sani und Kastritza von jeder Verbindung ab 
schloß und den Weg nach Janina der griechi 
schen Armee öffnete, sah Essad Pascha, daß 
jeder Widerstand erfolglos sei. Er rief seinen 
Generalstab )usammen und es wurde beschlossen, 
die Stadt dem griechischen Kronprin)en )u über 
geben. Um sich die Gunst seines siegreichen 
Gegners und früheren Mitschülers auf der 
Kriegsakademie in Berlin )u sichern, bat er um 
die Vermittlung des Metropoliten von Janina, 
der ihm seinen Vikar )ur Verfügung stellte, um 
die türkischen Abgesandten )u begleiten. 
Gegen die )weite Morgenstunde kamen nun 
)wei türkische Offtziere, Resuf Pascha und Ta- 
laat Bey, in Begleitung des griechischen Vikars 
bei den ersten griechischen Vorposten an, wo sie 
von griechischen Offtzieren per Auto nach 
Eminaga, dem Hauptquartier des Kronprin)en, 
gebracht wurden. Die türkischen Offi)iere hän 
digten dort dem griechischen Thronfolger ein an 
ihn gerichtetes Schreiben von Effad Pascha ein, 
in welchem er erklärte, daß er bereit sei, sich 
mit seiner Armee bedingungslos )u übergeben 
und daß er die Uber)eugung habe, daß das 
Leben, die Ehre und das Vermögen der Mo 
hammedaner keiner Gefahr ausgesetzt sein werde. 
Die Abgesandten fügten hin)u, daß sich die 
türkische Armee nach dem Angriff der Griechen 
in einem beklagenswerten Zustand befände und 
daß die Übergabe die ein)ig mögliche Lösung 
aus dieser schlimmen Lage wäre. Der Kron- 
prin) willigte in die Übergabe ein und be 
stimmte, jedes türkische Regiment solle eine 
weiße Fahne hissen und sich so den Griechen 
gefangen geben. Diese Rachricht verbreitete sich 
schnell im Heerlager und rief einen unbeschreib 
lichen Jubel hervor. 
Auf Befehl des Kronprin)en ist dann am 
6. Mär), vormittags 9 Uhr, ein Regiment 
Kavallerie als erstes in Janina eingerückt. Der 
enthusiastische Empfang, den ihm die seit Mo 
naten so vielen Leiden ausgesetzte Bevölkerung 
bereitet hat, spottet jeder Beschreibung. 
Die Sitzung der griechischen Kammer hatte 
hier in Athen gestern einen gan) außergewöhn 
lich feierlichen Charakter. Die Minister und die 
Abgeordneten begaben sich nach kur)er Sitzung 
noch in die Kathedrale, wo ein Dankgottes 
dienst abgehalten wurde. Vorerst aber mußte 
der Premierminister Ventzelos unter begeistertem 
Beifall das vor kur)em eingetroffene Telegramm 
des Kronprin)en von dem Protokoll der Über 
gabe der Stadt Janina verlesen. Rach Aussage 
Essad Paschas selbst besteht die Garnison aus 
33.000 Mann. Aus Janina wird noch be 
richtet, daß ein )iemlich starker türkischer Truppen 
teil entfliehen konnte und seinen Marsch nord 
wärts genommen hat. Effad Pascha hat dies da 
mit gerechtfertigt, daß er behauptete, diese 
Truppen hätten nicht unter seinem Befehle ge 
standen, sondern unter dem von Ali Ri)a Pascha, 
und daß er folglich keinerlei Gewalt über sie 
habe . . . 
Daß auch in der provin) die Freude nach 
der Einnahme von Janina überschwänglich war, 
geht aus einem Brief aus Rauplia hervor, den 
der „Berliner Lokalan)eiger" veröffentlichte. Es 
heißt da unter anderem: 
Ich habe die Menschen dieser Stadt sich 
freuen gesehen; ich sah sie in stiller Trauer die 
Toten feiern, die ihnen auf den Schlachtfeldern 
geblieben sind. Die Freude — das war Janina. 
Wie ging das goldgedruckte Extrablättchen von 
Hand )u Hand, wie strahlten die Augen, wie 
gutartig rein, ohne Ausgelassenheit und Taumel, 
war jeder Ausdruck der Stimmung. Als es 
Abend wurde, da gab es die entzückendste 
Illumination, die ich je gesehen habe. Denn 
nicht nur in den Fenstern all dieser malerischen 
Häuschen, in den schmalen Treppengassen, die 
bergaufwärts führen, auf den phantastisch auf 
leuchtenden Balkönen standen die Lichterl Sic
	        
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