Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Stimmung in Konstantinopel nach dem Wiederausbruch des Krieges. 
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der Fremde die Schönheit seiner Vaterstadt ver 
stand. 
Einige Tage später schreibt man der „Frank 
furter Zeitung" aus Konstantinopel: 
Ms vor 3 Wochen die Bulgaren behaup 
teten, sie würden in 9 Tagen im Be 
sitze Adrianopels sein und in 14 Tagen den 
Türken auf dem Schlachtfeld die Friedens 
bedingungen diktieren, denn der Frühling sei 
vor der Tür und die Bauern müßten ihre 
Acker bestellen, war für mich durchaus kein 
Grund mehr vorhanden, länger in der feuchten 
Winterwohnung zu bleiben. Ich ging daher vor 
haben sie den Türken noch nicht diktiert und 
umsonst habe ich für den angesagten Einzug 
Ferdinands im alten Byzanz auf bulgarisch 
„Hurra" schreien gelernt. Und fast scheint es 
mir auch, als sei es mit dem nahen Frühling 
nicht so weit her, den die Propheten von Sofia 
ansagten, denn einstweilen weiß ich nur, daß, 
als ich eines Morgens durch die Fenster schaute, 
der Garten fußtief überschneit war, ich zum 
Frühstück keine Eier mehr erhielt, weil den 
Hühnern das Eierlegen vergangen war, der 
Gärtner mit der Aachricht erschien, daß er für 
das Treibhaus Kohlen brauche und die Köchin 
mir eröffnete, daß, wenn jeden Tag Gäste zum 
Mittagessen kämen, die Haushaltungskaffe einer 
Streffleurs Militärische Zeitschrift, Wien. 
Türkisches Schnellseuergeschüh in Deckung bei Ianina. 
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die Stadt spazieren, der Verwirklichung eines 
Sommertraumes entgegen und fand auch wirk 
lich ein türkisches Häuschen mit entzückender 
Aussicht auf den Bosporus, schaffte meine 
Möbel hinaus und mietete mich dort ein. Als 
ich einzog, war es ein herrlicher Vorfrühlings 
tag; die Sonne wärmte durch die 6 Fenster 
meines Arbeitszimmers, zum Frühstück gab es 
im eigenen Hühnerstall gelegte Eier, zu Mittag 
Gemüse aus dem eigenen Garten. Alles war 
in schönster Ordnung und im Treibhaus war's 
so schön warm, daß ich durchaus mit Beruhigung 
in die leere Kohlenkiste schaute. 
Seitdem sind 3 Wochen vergangen. Die 
Bulgaren haben Adrianopel noch immer nicht 
erstürmt, den Frieden, den wir so sehr wünschen, 
Aufbesserung von nahezu JOO Mark für eine 
halbe Tonne Kohlen und eine halbe Tschekki 
Holz bedürfe, denn das Kochen auf der Petro 
leumlampe gehe auf die Dauer doch nicht, und 
außerdem betrage die Petroleumrechnung in den 
3 Wochen bereits über 40 Mark. Dann begab 
ich mich auf die Suche nach Lederpolstern, mit 
denen man hierzulande die Fenster zunagelt 
und zähneklappernd sah ich, auf den Frühling 
wartend, von meiner Sommerwohnung in die 
winterliche Welt hinaus. 
Das alles wäre schließlich noch ganz schön 
gewesen. Jeden Morgen hielt ja ein Wagen 
vor meiner Türe, er führte mich in den geheizten 
Klub und auch nach Stambul hinüber, ins 
Kriegsministerium, in dessen Auskunftsbureau
	        
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