Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Wiederbeginn der Kämpfe aus dem östlichen Kriegsschauplatz. 
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UM die Abtretung Adrianopels seitens der tür 
kischen Negierung nicht zu kümmern. 
Inzwischen dauerte die Beschießung der 
Stadt durch die Bulgaren und Serben fort. 
Schon aus dem Briefe eines Eingeschlossenen 
geht hervor, daß die Geschosse zum großen 
Teil gegen die Stadt gerichtet wurden und 
nicht gegen die Festungswerke. Es war, wie es 
scheint, die Absicht der Belagerer, durch die 
Gefährdung der Bewohnerschaft und vor allem 
der miteingeschlossenen Fremden einen Druck 
auf die Verteidiger auszuüben und die Über 
gabe auf diese Weise zu erzwingen. Die 
fremden Konsuln wandten sich deshalb an ihre 
Mächte mit dem Ersuchen, von den Belagerern 
den freien Abzug der eingeschlossenen Fremden 
zu erlangen. Sollte der freie Abzug nicht ge 
währt werden können, so möge man wenigstens 
eine neutrale Jone schaffen, in der sich die 
Fremden gefahrlos aufhalten könnten. Die 
Mächte wurden auch in Sofia in diesem 
Sinne vorstellig, aber es war umsonst; Bul 
garien lehnte es durchaus ab, die Fremden aus 
der belagerten Stadt abziehen zu lassen oder 
eine neutrale Jone zu schaffen. Sie blieben also 
eingeschlossen und allen Schrecken der Belage 
rung preisgegeben. 
Der Wiederbeginn der Kampfe auf dem östlichen Kriegsschauplatz. 
"m 3. Februar war die Beschießung 
von Adrianopel wieder aufgenommen 
worden. Von der Tschataldschalinie 
wurden an diesem Tage noch keine 
besonderen Kämpfe gemeldet, dagegen sehten 
sofort nach Ablauf des Waffenstillstandes auf 
der Halbinsel Gallipoli hartnäckige Kämpfe ein. 
Die Meldungen über diese Kämpfe lauteten sehr 
widersprechend. So wurde aus Sofia, 6. Fe 
bruar, gemeldet: 
Die türkische Armee vor Gallipoli wurde 
gestern von den bulgarischen Truppen südlich 
vom Flusse Kawak geschlagen und zog sich in 
großer Unordnung, verfolgt von den bulgarischen 
Truppen gegen Bulair zurück. Durch diesen 
Erfolg ist beinahe die ganze Küste des Mar- 
marameeres bis Bulair in den Händen der bul 
garischen Truppen. 
Dagegen wurde aus Konstantinopel unterm 
gleichen Datum berichtet: 
Amtlich wird vom 4. Februar gemeldet: 
Der Feind, der mit einem Teil seiner Streit 
kräfte im Gelände von Gallipoli steht, schob 
mehrere Regimenter von Kadiköj gegen Kawak 
vor, wo eine türkische Abteilung stand. Es kam 
zu einem Kampfe, der bis zum Abend dauerte 
und zu unseren Gunsten endete. Mit Einbruch 
der Rächt zogen sich unsere Truppen, gemäß 
den bereits vorhergegebenen Orders, auf Bu- 
lair zurück, zum größeren Teil, ohne daß der 
Feind sie verfolgen konnte. 
Eine andere feindliche Abteilung rückte 
gegen Myriofito am Marmarameer vor und 
besetzte den Ort, der nur von einigen Gen 
darmen beschützt war. 
Den in der Richtung auf Scharköj vor 
rückenden feindlichen Streitkräften fügte die 
Korvette „Iahaf" ernste Verluste zu. Der Feind 
konnte über Kamilo hinaus nicht vorrücken. 
Entgegen dieser Meldung wurde aus Kon 
stantinopel, 6. Februar, berichtet: 
Die Türken, die auf der Halbinsel Galli 
poli 2 Armeekorps, zusammen 50.000 Mann 
konzentriert haben, unternahmen mit einem Teil 
dieser Streitkräfte einen Offensivstoß und 
fanden starken Widerstand der Bulgaren, die 
sich dort verschanzt haben. Da die Türken es 
nicht auf eine Entscheidung ankommen lassen 
wollten, traten sie einen geordneten Rück 
zug an. 
Am 6. Februar kamen auch Meldungen 
über Kämpfe an der Tschataldschalinie. Rach 
einem KonstantinoplerTelegramm eines Londoner 
Blattes war es Enver Bey gelungen, eine 
Flankenbewegung von nicht geringer Bedeutung 
durchzuführen. Er soll mit 20.000 Mann, die 
bis dahin in Ismid auf der asiatischen Seite des 
Marmarameeres lagerten, westlich von Tscha- 
taldscha gelandet sein. Die Folge davon sei ge 
wesen, daß die Bulgaren, um nicht abge 
schnitten zu werden, Tschataldscha räumen 
mußten, nachdem sie es vorher angezündet 
hatten. Die Bulgaren seien gezwungen gewesen, 
bis auf Tscherkesköj zurückzugehen, wo sich jetzt 
ihr Hauptquartier befindet. Aus bisher unbe 
kannten Gründen hätten die Türken die Bul 
garen nicht verfolgt. Es sei möglich, daß sie 
eine Falle fürchteten. Auch der Wald in der 
Rähe von Tschataldscha sei, wie ein Eisenbahn 
beamter dem Berichterstatter mitteilte, nieder 
gebrannt worden. Rach Meldungen von „Reu 
ters Bureau" hätten die Bulgaren auf ihrem 
Rückzug von Tschataldscha alle Brücken und die 
Eisenbahn zerstört. 
Offiziell wurde aus Konstantinopel gemeldet, 
die Bulgaren hätten sich auf die Linie von 
Tscherkesköj zurückgezogen. Man glaube, daß 
der Rückzug den Zweck habe, einer durch die
	        
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