Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Miederausbruch des Krieges. 
DD 
mal, in den Tagen des Waffenstillstandes, )u 
Gesicht bekommen habe. Die Straffen wurden 
an diesen Tagen besonders scharf abpatrouilliert 
und die Patrouillen sollen oft nicht gelinde mit 
dem Gewehrkolben Mgestoffen haben. Vielen 
der slawischen Mitbürger wurde es darauf in 
der Stadt unheimlich, und sie versuchten, unge 
sehen durch die türkischen Linien M den Bulgaren 
)u schleichen. Es scheint, als ob man ihr Ver 
schwinden gar nicht so ungern gesehen hat, und 
ihnen nichts in den Weg legte. Verrat von 
ihrer Seite hat man wohl nicht gefürchtet, denn 
M verheimlichen gibt es hier eigentlich nichts. 
Selbst wir Europäer, die wir doch gewiffer- 
maffen einen militärisch geschulten Blick haben, 
sehen von unseren Verteidigern, die drauffen in 
den Werken und Gräben liegen, wenig. Alles, 
was )ur Verteidigung gehört, ist gegen die Ein 
wohner ebenso abgesperrt, wie gegen die Bul 
garen. Und übermäffige Aeugierde ist nicht am 
Platze. Unser Schükri versteht keinen Spaff! 
Daff wir des Hungertodes sterben, ist vor 
läufig nicht M fürchten. Bisher haben wir aus 
reichend )u essen gehabt und es reicht auch noch 
eine ganzeWeile. ImKeller unseresKlubs befindet 
sich sogar noch eine stattliche Anzahl von Sekt 
flaschen. Die kamen uns prächtig zustatten in 
den unangenehmsten Tagen vom 3. Februar an. 
Das waren 5 furchtbare Tage) platzte im Monat 
Dezember nur hie und da ein verirrtes Geschoff 
in der Stadt, so schien der Feind diese jetzt von 
mehreren Batterien aus aufs Korn genommen 
)u haben. An Schlafen war nicht zu denken. 
Uns in die Keller M verkriechen, oder uns Erd 
löcher )u graben, hielten wir unserer für un 
würdig. So soffen wir denn, wir Junggesellen, 
im Klub, und holten eine Flasche nach der an 
deren aus dem Keller. Das war die einzige 
Möglichkeit, uns aufrecht )u erhalten. Me 
Mgenblick fing eine der elenden Baracken Feuer. 
Zu gröfferen Katastrophen ist es dabei nicht 
gekommen. (lüde, Christ und Mohammedaner 
muff bei solchen Gelegenheiten )ur Löscharbeit 
heran. So hat es Schükri organisiert, und daff 
sie eifrig mit den Wassereimern laufen, dafür 
sorgen die Bajonette der Patrouillen, ebenso wie 
die Sorge um Hab und Gut. Eines machte sich 
in den letzten Tagen unangenehm bemerkbar: 
der Mangel an Kohlen. Mch Schükri scheint 
keinen groffen Vorrat mehr zu haben, denn die 
Scheinwerfer, die früher in der Aacht den Him 
mel hell erleuchteten, arbeiten nur sehr vereinzelt. 
Die Kohle )ur Erzeugung des elektrischen Stro 
mes muff wohl fehlen. Fast unheimlich war es, 
als am 6. gegen Mittag das Feuer plötzlich 
schwieg. Man hatte sich schon völlig an das 
Donnern gewöhnt. Am 6. müssen die Türken 
einen Ausfall versucht haben, der aber an 
scheinend nicht geglückt ist; zuerst kamen viele 
Verwundete, dann fluteten aber auch unverletzte 
Soldaten in die Stadt. Sie waren aber schnell 
wieder gesammelt und verschwanden, ehe noch 
eine Panik unter der Bevölkerung ausbrach. 
Ein Zeichen, wie die Offiziere ihre Leute in 
der Hand haben. 
Aeulich wurden wir Deutsche auf das öster 
reichische Konsulat gerufen. Es wurde uns mit 
geteilt, daff ein gemeinsamer Schritt der Konsuln 
unternommen worden wäre, um uns die Er 
laubnis )um Verlassen der Stadt )u erwirken. 
Mit welchem Erfolge, ist uns unbekannt. Für 
Frauen und Kinder wäre es ja immerhin )u 
wünschen. Im Klub wurden aber doch Stimmen 
laut, daff wir Junggesellen, wenn irgend mög 
lich, von der Erlaubnis, falls sie uns erwirkt 
würde, keinen Gebrauch machen sollen; wir 
haben nun solange hier ausgehalten und es 
wäre nicht fair, dem tapferen Schükri gegen 
über, wenn wir mit unserem WegMg der ein 
heimischen Bevölkerung ein schlechtes Beispiel 
geben würden. Ich würde gerne öfter Aachricht 
geben, aber die Sache ist )u unsicher. 
Die Aot in Mrianopel war also nicht so 
groff, wie man in bulgarischen Kreisen dachte. 
Freilich mag es schon damals unter den niede 
ren Volksschichten viele Bedauernswerte gegeben 
haben, die Hunger litten, aber im allgemeinen 
waren noch Lebensmittel vorhanden, und es ist 
anzunehmen, daff auch die wackere Armee noch 
hinreichend versorgt war, wenn auch vielleicht 
die Aationen bereits etwas kleiner bemessen 
werden mufften. 
Schükri Pascha. 
Jedenfalls herrschte in der Festung wie in der 
Stadt ein guter Geist, und das Verdienst hie- 
für gebührte Meifellos Schükri Pascha, dem 
tapferen Verteidiger der Stadt, der mit wenigen 
anderen die Waffenehre des osmanischen Vol 
kes gerettet hat. Wir finden diesen wackeren 
Mann nach der Schilderung einer ihm nahe 
stehenden Persönlichkeit in einem deutschen Blatt 
folgendermaffen charakterisiert: 
Am 3. Februar, abends 8 Uhr, erhoben die 
schweren Belagerungsgeschütze von Adrianopel 
wieder ihre ungehobelte Stimme wider die hart 
bedrängte Stadt. Als der Schreiber dieser 
Zeilen noch als Kriegskorrespondent im bulgari 
schen Lager vor Adrianopel war, war diese 
Stimme sehr oft erklungen, aber eine regelrechte 
Beschieffung, das heifft ein planmäffiges Zerstören 
der Stadt und Festung, hatte doch nie stattge 
funden. Die Bulgaren selbst machten gar kein 
Hehl daraus, daff sie zunächst gar nicht die 
Absicht hätten, Adrianopel )u nehmen, und sich
	        
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