Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Haltung Rußlands. 
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werden sollen, wird seither nicht mehr in diesem 
Raume, sondern in der Linie Grodno, Brest- 
Litewsk, Kowel beabsichtigt. Die Rückverlegung 
des russischen Rufmarschraumes aus Polen in das 
Innere des Reiches erfolgte, um den Rufmarsch 
der Armee vor Störungen zu bewahren und 
ihn näher den Kraftquellen des Reiches durch 
zuführen. Da zur Sicherung dieses Rufmarsches 
zufolge der Friedensdislokationen hinreichende 
Kräfte an der österreichisch-ungarischen und deut 
schen Grenze stehen, läßt die Verlegung eines 
ganzen russischen Armeekorps aus dem Innern 
des Reiches an die österreichisch-ungarische Grenze 
die Vermutung aufkommen, das) diese Maßregel 
von offensiven Tendenzen diktiert ist. 
Rüster den Standeserhöhungen und der 
Verlegung eines Rrmee 
korps und einer Kaval 
leriedivision an die 
Grenze sind noch weitere 
militärische Verfügungen 
erfolgt. Es wurden in 
der letzten Zeit sehr be 
deutende Materialergän 
zungen an die im Westen 
stehendenRrmeekorps ge 
sendet und eine Reihe 
militärischer Instruk 
tionen ausgegeben, mit 
denen die Truppen und 
Kommanden sonst nur im 
Falle einer in Erwägung 
stehenden Mobilmachung 
beteilt werden. 
Rus den angeführten 
militärischen Mastregeln 
geht hervor, dast Ruß 
land Rüstungen im 
großen Stil betreibt und 
einen Teil seiner Rrmee 
schon jetzt auf einen dem 
Kriegsverhältnisse nahen 
Bereitschaftsgrad zu bringen bestrebt ist. 
* * * 
Rußland bereitete sich also auf alle Even 
tualitäten vor, rüstete seine Rrmee und liest in 
zwischen die Diplomaten überall versichern, dast 
die russische Regierung keinen anderen Wunsch 
habe, als die Erhaltung des europäischen Frie 
dens. Rm 22. Rovember erklärte der russische 
Botschafter in Berlin einem Interviewer: 
In diesem Augenblick balanciert der euro 
päische Friede auf der Schneide eines Rasier 
messers. Rechts klammert sich die Allianz daran, 
links die Entente. Doch eben dadurch wird er 
im Gleichgewicht erhalten. Ein Krieg wird nicht 
sein, es kann keiner sein, und wird auch kei 
ner sein. 
Das Gebaren der Serben läßt eher das 
Gegenteil vermuten, warf der Interviewer ein. 
Für die Serben bedeutet der adriatische Hafen 
eine Lebensfrage, und ich bin überzeugt, dast 
pasic, der ein besonders fähiger Diplomat und 
ein Patriot von besonderem Pflichtgefühl ist, die 
österreichisch-ungarische Monarchie davon zu 
überzeugen vermögen wird, dast der adriatische 
Hafen Serbiens nicht die geringste Schädigung 
für die Handelsinteressen der Monarchie be 
deuten würde. Ist es ja in der vorwöchentlichen 
Konferenz der ungarischen Opposition die allge 
meine Auffassung gewesen, dast die Forderung der 
Serben zu den Interessen der Monarchie in keinem 
Gegensatz stehe. Warum sollten da die leitenden 
Männer der auswärtigen Politik der Monarchie 
nicht einsehen, was die 
Politiker der ungarischen 
Opposition bereits ein 
gesehen haben? Sollte 
aber die Monarchie sich 
mit vollster Entschieden 
heit daran klammern, 
dast sie den Serben nicht 
gestattet, an der Adria 
Fuß zu fassen, so bleibt 
nichts anderes übrig, als 
daß sich die Serben 
zurückziehen und ihre 
Forderung aufs Eis 
legen, denn die Serben 
verlassen sich fälschlich 
darauf, daß die Entente 
hinter ihnen steht. 
Und Rußland? fragte 
der Interviewer. 
Rußland hält die 
Erhaltung des europäi 
schen Friedens für seine 
erste Pflicht. 
Wie kommt es dann, 
dast die serbische Presse 
stets die Unterstützung seitens Rußlands ver 
kündet und auch ein Teil der russischen Presse 
mit solcher Vehemenz für die serbischen For 
derungen eintritt? 
Was die Politik der serbischen Presse be 
trifft, so kann ich Ihnen darüber nur sehr wenig 
sagen. Doch hinsichtlich der russischen Presse kann 
ich Ihnen eine Reuigkeit mitteilen, die ein nicht 
zu unterschätzendes Zeichen der friedlichen Be 
strebungen der russischen Regierung bietet. Der 
Redakteur der „Rowoje Wremja" wurde am 
Sonntag wegen Verbreitung beunruhigender 
falscher Rachrichten verhaftet, weil er berichtet 
hatte, dast der russische Botschafter am Wiener 
Hofe dem Grafen Berchtold ein Ultimatum 
überreicht und im Ramen der russischen Re 
gierung Aufklärung darüber verlangt hätte, wie 
Der türkische Delegierte Osman "Tlyami Pascha.
	        
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