Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die internationale Lage vor Wiederausbruch des Krieges. 
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Armeen, welche den russischen Invasionen 
Widerstand leisten sollten. Aach Beendigung 
des russisch-türkischen Krieges fiel dieses ganze 
Viereck dank dem Bulgarien schuhenden Freunde 
Außland dem ersteren zu, jedoch mit der Be 
dingung, diese Festungen zu schleifen, was aber 
bisher nur in geringem Umfange geschehen ist. 
Eine der wichtigsten dieser Festungen war 
Silistria an der Donau, das heute knapp an 
der rumänischen Grenze sich befindet. Es liegt 
gegenüber dem rumänischen Orte Kalaraschi, 
an einem wichtigen Ubergangspunkte an der 
Donau, die hier 2600 Meter breit ist. Silistria 
zählt heute 12.055 Einwohner, wovon nahezu 
die Hälfte Mohammedaner sind, die übrigen 
sind Bulgaren, Griechen und Juden. Überhaupt 
haben sich sowohl in diesem Teile Bulgariens, 
als auch in der Dobrudscha, noch viele Türken 
trotz der lebhaften Auswanderung erhalten. 
Silistria hat 2 elende Vorstädte, 12 Moscheen, 
mehrere Kirchen, zahlreiche Mühlen und Gerbe 
reien. 
Die Bewohner, welche in der Tuchweberei 
sehr geschickt sind, betreiben einen beträchtlichen 
Handel auf der Donau. Silistria hat als 
Festung eine ruhmreiche Geschichte, denn sie 
wurde im russisch-türkischen Krieg zweimal 
belagert, das erstemal vergebens, und konnte 
erst bei der zweiten Belagerung nach 
6 Monaten am 29. Juni 1829 vom russi 
schen General Krassowski eingenommen werden. 
Im Orientkrieg wurde die Belagerung von den 
Aussen unter General paskiewitsch im Mai 
1854 eröffnet; am 26. Juni mußten aber die 
Aussen ohne Erfolg abziehen. Auch im Kriege 
von 1877 hatten die Aussen Silistria nicht ein 
nehmen können, sondern nur zerniert. Erst im 
Februar 1876 räumten die Türken die Festung, 
welche durch den Berliner Vertrag an Bulgarien 
siel, das, statt die Festungswerke vertragsmäßig 
zu schleifen, sie noch besser ausbaute, so daß 
heute Silistria (ine der stärksten Festungen an 
der Donau geworden ist, weshalb sich auch 
begreiflicherweise Bulgarien sträubt, diesen wich 
tigen Platz an Aumänien zu übergeben. 
Die kleine, stromauf gelegene Festung 
Tutrakan, welche Aumänien ebenfalls bean 
sprucht, soll der künftige Grenzpunkt gegen 
Bulgarien an der Donau werden. Sie ist 
amphitheatralisch auf Hügeln aufgebaut und 
besitzt ein festes Schloß. Die Stadt hat jetzt 
9841 Einwohner. 
Weiter würden nach den Forderungen 
Aumäniens die Kreisstadt Dobric mit 15.897 Ein 
wohnern und die beiden Hafenstädte am Schwarzen 
Meere, Kavarna mit 3699 und Baltschik mit 
6588 Einwohnern, an Aumänien fallen. Während 
die Stadt Kavarna hauptsächlich Ackerbau be 
treibt, ist die Stadt Baltschik trotz der großen 
Unbequemlichkeiten des Verkehrs eine wichtige 
Aeede für die Ausfuhr von Getreide, das die 
Dobrudscha im Überfluß liefert. 
Im ganzen beansprucht Aumänien sonach 
den größten Teil des 3010 Quadratkilometer 
mit 111.830 Einwohnern umfassenden bulgari 
schen Kreises Silistria und mehr als die Hälfte 
des 7829 Quadratkilometer großen und über 
215.000 Einwohner zählenden Kreises Varna, 
so daß also das beanspruchte Gebiet Bulgariens 
mindestens 5000 Quadratkilometer mit zirka 
250.000 Einwohnern enthalten würde, was 
freilich gegenüber dem riesigen Zuwachs, der 
Bulgarien in Mazedonien und Thrazien zu 
fallen dürfte, kaum in die Wagschale fällt. 
Immerhin, Bulgarien schien wenig geneigt, 
die rumänischen Forderungen zu erfüllen, die 
übrigens durch den Wiederausbruch des Krieges 
etwas zurückgedrängt wurden. Denn Aumänien 
war gerecht genug, von Bulgarien noch keine 
Entscheidung zu fordern, ehe diesem nicht endgiltig 
der Erfolg gegenüber der Türkei gesichert war. 
Unter diesen krisenhaften Verhältnissen 
schickten sich die Balkanstaaten und die Türkei 
an, den Krieg wieder aufzunehmen, der nun 
um den Aest des europäischen Besitzes des 
osmanischen Aeiches ging.
	        
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