Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Folgen der Umwälzung in Konstantinopel. 
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Auslande, so im Lande selbst. Das Kabinett 
Kiamil Pascha hat es nicht verstanden, sich 
dieses Mittels zu bedienen. Man muß bedenken, 
daß die Ottomanen in 4 Monaten 45 Millionen 
Francs als Militärentlastungstaxe allein an.den 
Staat abgeführt haben. 
Mas die finanzielle Zukunft anbelangt, so 
wird das Notwendigste nach dem Kriege sein, 
daß wir die vor dem Kriege und während seiner 
Dauer bei der Banque Ottomane und der 
Banque Nationale kontrahierten Schulden liqui 
dieren. Mir werden daher sofort eine Anleihe 
aufnehmen müssen. Mir werden aber auch ge 
nötigt sein, in allen Zweigen der Verwaltung 
behufs Herstellung des Gleichgewichtes im haus 
halte Ersparungen xu machen. Das nächste, wo 
ran wir bei einem Friedensschluß werden den 
ken müssen, wird die Erhöhung der Zölle sein, 
und wir werden uns nicht mit der von uns 
längst begehrten und noch immer nicht bewillig 
ten Erhöhung von 4 Prozent bis auf 15 Pro 
zent vom Merte begnügen können, wir müssen 
für die Zukunft die volle wirtschaftliche Unab 
hängigkeit anstreben und sie den Mächten gegen 
über beim Friedensschlüsse vorbringen. Österreich- 
Ungarn hat uns bei Gelegenheit des Annexions 
vertrages, Italien anläßlich des Friedens von 
Lausanne die Erhöhung der Zölle in Aussicht 
gestellt und auch Deutschland ist ohne Zweifel 
gewillt, uns in diesem Punkt entgegenzukommen. 
Aber die Schwierigkeit liegt, was diesen Punkt 
anbelangt, bei den Mächten der Tripelentente, 
von denen wir ja manche Unfreundlichkeit er 
fahren haben. Die Mächte der Tripelentente 
haben uns immer versprochen, uns die Erhöhung 
der Zölle einzuräumen, wenn aber die Sache 
xur Diskussion kam, haben sie hohe Gegen 
leistungen verlangt. Nußland forderte, daß das 
auf dem Schwarten Meer eingeführte Mehl 
von Zöllen befreit sei, und es wird noch an 
deres verlangen; England und Frankreich wie 
derum hatten es auf die Bereinigung schweben 
der Fragen abgesehen. Menn wir unser Budget 
in Ordnung bringen und nach dem Friedens 
schlüsse in Asien unsere Reformen einführen 
wollen, ist es nötig, daß wir die Zölle erhöhen. 
Immer hat man von uns Reformen verlangt, 
und niemals hat man uns bewilligt, daß wir 
die Zölle in einem Maße erhöhen, daß wir die 
Kosten der Reformen aufbringen konnten. Er 
höhen wir die Zölle nur um 4 proxent, und 
beginnen wir, die patentsteuer von den Aus 
ländern einxuheben, so kann dies für uns eine 
Mehreinnahme von 40 Millionen Francs be 
deuten. Menn man uns jedoch die Erlaubnis 
nicht erteilt, können wir weder unsere Finanzen 
xur Gesundung bringen, noch kann sich eine 
Industrie bei uns entwickeln. Die Mächte ließen 
es ruhig geschehen und werden es auch in Iu- 
kunft ruhig geschehen lassen, daß die Balkan 
staaten ihre Zölle erhöhen, und uns sollte man 
nicht gewähren lassen? Der Türkei muß die 
Möglichkeit gegeben werden, Handelsverträge 
abzuschließen wie jeder andere unabhängige 
Staat. 
Ich hoffe, daß die Einsicht in Europa siegt 
und uns bei einem etwaigen, wie ich noch 
immer hoffe, baldigen Friedensschluß bessere und 
durchaus sichere Gewähr für die Zukunft ge 
boten werde. 
Die Gläubiger werden für die Zukunft nichts 
xu besorgen haben. Die Einnahmen aus der 
europäischen Türkei haben, die Einkünfte der 
Dette und der Tabakregie inbegriffen, nicht 
5V2 Millionen Pfund überschritten, die Aus 
gaben, insbesondere die für militärische Zwecke 
und solche der öffentlichen Arbeiten in der euro 
päischen Türkei, waren viel größer. Für die Zu 
kunft können wir auf wenigstens über 25 Mil 
lionen Pfund Einnahmen rechnen und sie wer 
den von Jahr xu Jahr wachsen. Die Bagdad 
linie wird in 3 Jahren beendigt und sehr bald 
werden auch die Bewässerungsarbeiten in der 
Ebene von Konia durchgeführt sein und auch 
dies wird unsere Einnahmen erheblich steigern. 
Ich bin der entschiedenen Uberxeugung, daß 
man fremde Spexialisten für die Ministerien der 
Landwirtschaft, der Posten, der öffentlichen Ar 
beiten und sogar des Innern heranxiehen muß, 
wie wir solche im Finanxministerium haben. 
Ich selbst hatte, während ich Finanxminister 
war, den Franxosen Iolly als Generaldirektor 
der Inspektion xur Seite, und er hat uns aus- 
gexeichnete Dienste geleistet. Leider wird er nun 
bald gehen und man wird daran denken müssen, 
ihn durch eine einigermaßen ebenbürtige Kraft 
xu ersetzen. Mir brauchen Sachverständige als 
Inspektoren für die Provinzen, nicht nur für die 
Ientralregierung. Als ich dem letzten Kabinett 
Said Pascha angehörte, hatten wir uns schon 
wegen Sachverständigen für das Ministerium des 
Innern an die englische Negierung gewendet, 
aber da kam der Sturx unserer Negierung. Un 
sere Hauptarbeit wird nach dem Frieden, auf 
dessen baldige Herstellung ich noch immer rechne, 
in Kleinasien einxusetzen haben. Mir werden die 
Vilajcts von Angora und Siwas durch eine 
Eisenbahn verbinden müssen und für die Be 
wässerung der Ebene von Adana sorgen, welche 
die fruchtbarsten Ländereien des ganxen otto- 
manischen Kaiserstaates besitzt. Die wirtschaft 
lichen Bedürfnisse der Araber und Armenier 
werden wir befriedigen müssen. 
Sie sehen also, daß wir Iungtürken nicht 
den Himmel stürmen wollen, daß wir jetzt in 
Kriegsxeiten schon an den Frieden denken, daß 
wir xu rechnen wissen, aber die Voraussetzung 
aller unserer Berechnungen für die Zukunft ist
	        
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