Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Folgen der Umwähung in Konstantinopel. 
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Zeit des Staatsstreiches in Men auf. Es 
waren dies der ehemalige Minister Dschavid 
Bey, der Chefredakteur des „Tanin" Hussein 
Dschahid Bey, der bisherige Vertreter der 
Stadt Bagdad im Parlament, Ismail Hakki 
Bey, und ein Mitglied des jungtürkischen Exe 
kutivkomitees Rasim Bey. 
Ober die politischen Folgen des Staats 
streiches und über dessen Ursachen befragt, sagte 
Rasim Bey: 
Mir hatten uns vor den Verfolgungen 
Kiamil Paschas hierher geflüchtet und nun 
werden wir sofort nach Konstantinopel zurück 
kehren, um in dieser bewegten Zeit an der 
Seite der neuen Regierung unseren Platz aus 
zufüllen. Mr hätten uns mit Schmach xu be 
laden geglaubt, wenn wir Adrianopel aus die 
Drohung der Mächte hin ausgeliefert hätten. 
Mir können mit Ehren sterben, aber wir dürfen 
nicht ehrlos untergehen. Die Auslieferung 
Adrianopels wäre ein ehrloser Untergang ge 
wesen. Mir werden den Mächten sicherlich ent 
gegenzukommen trachten. Mir sind aber über 
zeugt, das) uns insbesondere Rustland schweres 
Unrecht in letzter Zeit angetan hat. Menn es 
sich bestätigen sollte, das) uns noch Rustland 
gedroht hat, in die Vilajets Man, Trapexunt 
und Erxerum einxufallen, so wäre das etwas 
Ungeheuerliches. 
Dschahid Bey meinte: Wir sind von seiten der 
Tripelentente schmählich behandelt worden und 
es gibt keine Morte, die diese Behandlung 
richtig xu taxieren vermöchten. Mas sich gestern 
xugetragen, durften wir voraussehen. Ein Sy 
stem der unerhörtesten Verfolgung aller gegen 
teiligen Meinungen war vom alten Kiamil 
Pascha eingeleitet worden. Wir alle sind ver 
folgt worden. Mehrere von uns haben sich hier 
her nach Mien begeben, andere, wie Achmed 
Rixa und der ehemalige Kammerpräsident Halil 
Bey sind jetzt in Paris. Mir alle werden uns 
nach Konstantinopel xurückbegeben, um dort 
nach dem Rechten xu sehen. Es wäre ganx 
richtig gehandelt, wenn die neue Regierung das 
unter Ghaxi Mukhtar aufgelöste Parlament 
wieder einberiefe, denn dieses Parlament ist 
illegitimerweise auseinandergejagt worden. In 
der letzten Zeit ist jede laute Stimme der Oppo 
sition erstickt worden. Kiamil Pascha hat die 
Presse geknebelt. Das Ausland hatte keine 
Gelegenheit, von der Entrüstung xu hören, die 
in weiten Kreisen herrschte. 
Glauben Sie nicht, fuhr Dschahid Bey fort, 
das) wir Chauvinisten sind. Mir wollen nicht 
das Unmögliche möglich machen. Mir wollen 
nicht etwa Maxedonien oder Albanien für die 
Türkei retten, aber Adrianopel mus) uns bleiben. 
Es liegt kein xwingender Grund vor, es unter 
den gegenwärtigen Verhältnissen abxutreten. 
Wenn wir den Krieg erneuern und sogar wieder 
geschlagen werden, was ich sehr dahingestellt 
sein lasse, so können uns keine schmählicheren 
Bedingungen auferlegt werden, als es die Ab 
tretung Adrianopels wäre. 
Auch Dschavid Bey beteiligte sich an der 
Unterhaltung. Er sagte: Es ist ganx ausge 
schlossen, das) wir eine Kriegsentschädigung an 
die Balkanstaaten bexahlen. Die Deutschen sind 
bis Paris gekommen und haben nur Elfast- 
Lothringen erhalten. Da begreift es sich, das) 
Frankreich auch eine Kriegsentschädigung xu 
bexahlen hatte. Mir aber treten an die Balkan 
staaten ungeheuere Landgebiete ab und sie 
haben uns den Frieden nicht in unserer Haupt 
stadt diktiert. 
Dschavid Bey meinte: Es ist eigentlich 
Österreich-Ungarn, an das wir Skutari und 
Janina, die beide nicht gefallen sind, abtreten, 
denn wir wollen Österreich-Ungarn entgegen 
kommen, dem daran gelegen ist, ein lebensfähi 
ges Albanien in die Melt xu sehen. Aber nie 
mals können wir gewissen Mächten xuliebe 
Gleiches mit Adrianopel tun. 
In den Kreisen der Jungtürken glaubt man, 
das) der neue Grostwesir dem ehemaligen Grost 
wesir Hakki Pascha das Ministerium des Austern 
übertragen werde. 
Dagegen scheint es, dast Dschavid Bey eine 
etwaige Berufung in das Kabinett nicht an 
nehmen würde. 
Cs wurde die Ansicht ausgesprochen, dast 
Talaat Bey das Ministerium des Innern nicht 
beibehalten und dast Hilmi Pascha, dem Miener 
Botschafter, obwohl er nicht Jungtürke ist, das 
Ministerium des Innern angeboten werde könnte. 
In diesen Kreisen glaubt man, Hilmi Pascha 
habe xwar keine besondere Reigung, derxeit in 
die Regierung einxutreten, aber er würde sich, 
so meinten die jungtürkischen Herren, wenn ein 
dringlicher Ruf an ihn erginge, dieser patrioti 
schen Mission nicht entziehen können. 
Die Tatsache, dast die Jungtürken von der 
Möglichkeit der Betrauung Hilmi Paschas 
sprachen, beweist, das) nach ihrer Auffassung 
das neue Kabinett kein Ministerium der intran 
sigenten Fortführung des Krieges sein soll, son 
dern dast, wenn sich die Möglichkeit eines ehren 
vollen Friedens ohne Abtretung Adrianopels 
bietet, dieser Ausweg anxunehmen wäre. 
Betreffs der Agäischen Inseln, die aber gleich 
falls für die Türkei erhalten werden sollen, 
glauben die Jungtürken, dast, wenn die Mächte 
in Betracht xiehen, das) die strategische Sicher 
heit Asiens gewährleistet werde, sich die Sache 
würde beilegen lassen. Die jungtürkische Auf 
fassung ist die Etablierung groster Freiheiten 
nicht nur für die Inseln, sondern auch für Arabien 
und Armenien.
	        
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