Der Staatsstreich in Konstantinopel.
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Revolverschüsse wurden gewechselt und Haupt
mann Tewfik Bey und ein Iioilbeamter, namens
Mustafa Redjib, stursten tot sti Boden. Als
drittes Opfer fiel dann Aastm Pascha, der die
Tür aufgerissen hatte, um die Ursache des Tu
mults festzustellen. Uber Rastms Leiche drang
dann Enver Bey mit dem Revolver in der
Hand in den Sitzungssaal. Mehrere Minister
hatten sich feige hinter den Möbeln versteckt.
Enver Bey trat sofort vor Kiamil und befahl
ihm, sein Demissionsgesuch )u unterschreiben.
Der Minister des Rüstern, Roradunghian, ver
suchte, Enver, Talaat und den übrigen votzu-
stellen, dast der Friede unvermeidlich sei. Er
wurde aber geohrfeigt und beiseite gedrängt. Kiamil
Als Enver Bey erschien und die Demission
Kiamils mitteilte, brachen Iubelstürme los.
Enver Bey fuhr darauf im Automobil nach
dem Palais des Sultans und überbrachte diesem
das Demissionsgesuch Kiamils. Am Ramen des
Revolutionskomitees bat er zugleich um die Er
nennung Mahmud Schefkets. Mittlerweile hatte
Talaat Bey provisorisch das Ministerium des
Innern übernommen. Die bisherigen Minister
wurden im Beratungssaal als Gefangene be
wacht. Die Leiche Rastm Paschas und der
beiden anderen Opfer lagen mit Mänteln be
deckt hinter einem Mandschirm. Riemand durfte
die Pforte verlassen. Rur der erste Dragoman
der deutschen Botschaft, Meber, der im Moment
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Das Seraskierat (Kriegsministerium) in Konstantinopel.
untetzeichnete darauf das Demissionsgesuch, das
Enver Bey an sich nahm.
Die brausten wartende Menge war mittler
weile auf viele Tausende angeschwollen. Man
bemerkte darunter viele Frauen, auch kurdische
und tscherkessische Freiwillige in Rationaltracht.
Mehrere Redner feuerten die Menge an.
Flüchtlinge aus Saloniki und Kossovo riefen
)ur Rache für die Greueltaten aus, während
die Hoschas Gebete anstimmten. Zwischendurch
erklangen wütende Rufe: „Rieder mit Kiamil!
Adrianopel must türkisch bleiben!" Die Truppen
verbrüderten sich mit den Manifestanten, die die
Armee hochleben kiesten. Unter die Menge
wurden Proklamationen verteilt, in denen Kiamil
des Hochverrates beschuldigt wurde.
des Putsches )ufällig auf der Pforte weilte,
konnte durch eine geheime Tür ins Freie ge
langen. Dagegen mustten mehrere Ausländer,
darunter der Direktor der anatolischen Bahn,
Huguenin, stundenlang auf der Pforte warten.
Man erklärte dem ungeduldigen Herrn Huguenin:
„Vielleicht werden wir Ihren Zylinder brauchen,
um einem der Minister die Flucht )u ermög
lichen!" Trotz des strömenden Regens dauerten
die Kundgebungen vor der Pforte an. Die
Menge jubelte dem vom Palais zurückkehrenden
Enver Bey zu. Als dieser bald darauf aber
mals wegfuhr, erneuerte sich der Jubel und
erreichte seinen Höhepunkt, als nach 8 Uhr
abends Mahmud Schefket Pascha und der erste
Sekretär des Sultans, Fuad Bey, bei der