Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die internationale Situation. 
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In Abwesenheit des Ministers des Austern 
erteilte Sektionschef Graf Wickenburg fol 
gende Antwort: 
Ich bitte, zu gestatten, dast ich in Abwesenheit 
des Ministers des Auswärtigen die Antwort 
auf die Interpellation des Herrn Delegierten 
Ragst erteile, welche sich aber nicht auf den 
ganzen Inhalt der Interpellation erstreckt. 
Es ist eine Tatsache, dast unsere Kommuni 
kation mit dem österreichisch-ungarischen Konsul 
in prizrend seit einiger Zeit aufgehört hat. Der 
Minister des Austern hat in seiner gestrigen 
Erklärung darauf hingewiesen, dast von unserem 
Gesandten in Belgrad bei der dortigen Re 
gierung Schritte unternommen wurden, damit 
seitens der Belgrader Regierung dem kein 
Hindernis entgegengesetzt werde, vielmehr Schritte 
in der Richtung geschehen, dast einer unserer 
Beamten nach prizrend reisen könne und die 
Verbindung mit dem Konsulat daselbst wieder 
hergestellt werde. 
Heute eingetroffenen Meldungen zufolge hat 
die kgl. serbische Regierung dem zugestimmt, 
dast unsere unmittelbare Verbindung erfolgen 
kann, so dast heute nachmittag ein kaiserlicher 
und königlicher Konsularbeamter über Belgrad 
nach prizrend reisen wird. Ich bitte daher 
meine Antwort zur Kenntnis zu nehmen. 
Am gleichen Tag reiste Konsul Theodor 
Edl von Men nach llsküb ab, um sich von 
dort aus mit dem Konsul prochaska in Ver 
bindung zu setzen. 
Anzeichen für einen Stimmungsumschlag 
in Belgrad. 
In der Prochaska-Frage schien eine Ent 
spannung Mischen Österreich-Ungarn und Serbien 
sich anzubahnen; die Affäre war wenige Tage 
später dadurch erledigt, dast Konsul Edl mit dem 
inzwischen freigegebenen Konsul prochaska in 
llsküb zusammentraf. Im allgemeinen schien 
sich in Belgrad ein Umschwung vorzubereiten. 
Unterm 21. Rovember wurde von dort ge 
meldet: 
Die Ausführungen des österreichisch-ungari 
schen Ministers des Austern Grafen Berchtold 
in den Delegationen haben in serbischen Kreisen 
die ernsteste Beachtung gefunden. Sie trugen 
in hohem Maste zur Verstärkung des Ein 
druckes bei, dast in der albanesischen Frage 
nicht nur unter den Mächten des Dreibundes 
die vollste Einmütigkeit herrsche, sondern dast 
auch die Tripelentente gewillt sei, diese Frage 
unter keinen Umständen zu einem europäischen 
Konflikt ausarten zu lassen. 
Diese Erkenntnis beginnt eine kalmierende 
Wirkung auf die serbische öffentliche Meinung 
auszuüben und selbst in leitenden serbischen 
Balkankrieg. II. 
Kreisen gewinnt langsam die Auffassung an 
Boden, dast das starre Festhalten an der ur 
sprünglich von serbischer Seite ins Auge ge 
fassten Lösungsform der Hafenfrage unter dem 
obwaltenden immer offenkundiger zutage tretenden 
Meinungsumschwung in der europäischen Öffent 
lichkeit keine zuverlässige Gewähr für die Be 
friedigung der serbischen Wünsche und der 
serbischen Interessen biete. Allerdings must hier 
bei festgestellt werden, dast das Schwergewicht 
der Staatsgewalt augenblicklich nicht in Bel 
grad, sondern im Hauptquartier des Armee 
oberkommandos liegt und dast ein gründlicher 
Meinungsumschwung wohl erst nach Beendigung 
der militärischen Operationen in Aussicht ge 
stellt werden kann. 
Es scheint eben allmählich in Belgrad die 
Erkenntnis sich durchgesetzt zu haben, dast trotz 
der Siege bei Kumanovo und Monastir Serbien 
nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen 
könne. Man bereitete also in der albanesischen, 
wie in der Hafenfrage ein langsames Rachgeben 
vor. Herr Sinne, der serbische Gesandte in 
Wien, der von Anfang an in beruhigendem 
Sinne in Belgrad wie in Wien gearbeitet hat, 
erklärte am 2j. Rovember zunächst zur prochaska- 
Affäre: 
Es ist wohl nicht leicht, sich über die Um 
stände, die zu der Affäre prochaska geführt 
haben, ein Bild zu machen und man must das 
Resultat der Erhebungen abwarten, welche 
Konsul Edl im Einvernehmen mit den serbischen 
Behörden pflegen wird. Wenn es sich bestätigen 
sollte, dast Konsul prochaska prizrend verlassen 
hat, dann dürften beide Herren möglicherweise 
in Usküb oder in Belgrad zusammentreffen. So 
viel geht jedoch bereits aus den vorliegenden 
Meldungen hervor, dast er, wie übrigens nicht 
anders zu erwarten war, sich wohlbefindet. Die 
Verzögerung des Eintreffens von Berichten und 
Briefen des Konsuls könnte übrigens auch 
darauf zurückgeführt werden, dast in Kriegs 
zeiten die Verkehrsverhältnisse äusterst mangel 
haft sind. So erwarte ich selbst seit 14 Tagen 
vergebens eine Rachricht von einem im serbi 
schen Hauptquartier befindlichen Reffen. 
Mit Rachdruck must ich verschiedene in der 
Presse veröffentlichte Berichte über angebliche, 
von serbischen Truppen verübte Grausamkeiten 
und schlechte Behandlung von Kriegsgefangenen 
zurückweisen. Ich weist vielmehr genau, dast 
den Gefangenen in Serbien die in zivilisierten 
Ländern übliche Behandlung zuteil wird. Einer 
von der serbischen Regierung über die Behand 
lung der Kriegsgefangenen erlassenen Instruktion 
entnehme ich unter anderem, dast höhere Offi 
ziere täglich zwei Dinars, Offiziere einen Dinar 
und Soldaten 60 Heller sowie austerdem eine 
Brotration erhalten. 
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