Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Staatsstreich in Konstantinopel. 
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na 
des Kabinetts Said Pascha trat er von der 
Stelle eines Mali der Hauptstadt zurück. 
Der neue Minister der öffentlichen Arbeiten, 
Senator Batsaria Effendi, hat sich sowohl im 
Senat wie in der publizistischen Tätigkeit als 
ein tüchtiger Politiker von umfassender Bildung 
gezeigt. Als Vertreter der rumänischen Osmanen 
wurde er in den Senat aufgenommen. Er wird 
voraussichtlich seine aus eigener Anschauung 
gewonnene Kenntnis der europäischen Verhält 
nisse, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird, 
in den Dienst der wirtschaftlichen Entwicklung 
der Türkei stellen. 
Der provisorische Minister des Äußern, 
Muhtar Bey, ist als tüchtiger diplomatischer 
Berater bekannt. Bevor er auf den Gesandten 
posten in Athen berufen wurde, war er General 
konsul in Budapest. 
Dem neuen Marineminister, Mahmud Pa 
scha, fällt keine weniger schwierige Rolle zu als 
dem Kriegsminister. In Anbetracht der seht 
nötigen Konzentrierung der Verteidigungskräfte 
des Landes muß die Ernennung eines Generals 
zum Marinieminister jetzt weniger auffallen als 
sonst. 
Dem neuen postminister, Osgan Effendi, 
der bisher die Stellung eines Finanzinspektors 
bekleidete, wird eine bemerkenswerte Intelligenz 
und Arbeitskraft nachgerühmt. 
Der Unterrichtsminister, Schükri Bey, be 
kleidete früher eine wichtige Stellung im Mi 
nisterium des Innern. Unter dem letzten Ka 
binett wurde er als Muteffarif nach Sarukhan 
gesandt, von wo er jetzt als Minister zurückkehrt. 
Den Mitgliedern des Ministeriums Mahmud 
Schefket Pascha, die den Mut gehabt haben, 
in schwerer Zeit dem Gebote des Patriotismus 
zu folgen, werden keine leichten Aufgaben ge 
stellt. Ihre Verantwortung ist groß, da es sich 
für sie um die Lösung der Existenzfrage des 
Staates handelt. Ihr aufgeklärter Patriotismus 
und ihre fachmännische Tüchtigkeit wird in 
vollem Umfange in Anspruch genommen werden. 
Mir wünschen, daß ihre Tätigkeit erfolgreich 
sein möge und nutzbringend für die Zukunft des 
Staates, die sie nie aus den Augen verlieren 
dürfen. 
Marschall Mahmud Schefket Pascha begab 
sich gestern vormittags in das Palais und wurde 
vom Sultan in Audienz empfangen. Vach dem 
Selamlik stattete Mahmud Schefket Pascha 
dem Thronfolger einen Besuch ab. ferner 
wurden nach dem gestrigen Selamlik die sämt 
lichen Mitglieder des neuen Kabinetts vom 
Sultan empfangen und sprachen demselben ihren 
Dank für ihre Ernennung aus. 
Mie die „Agence Ottomane" meldet, scheint 
die Ernennung Hekki Paschas ?um Minister 
des Äußern sicher. 
Der frühere Mali von Konia, Sami Bey, 
wurde zum Unterstaatssekretär im Ministerium 
des Innern ernannt, ferner wurde der erste 
Sekretär des Sultans, Halil Sia Bey, zum 
Stadtpräfekten, der frühere Mali von Bagdad, 
Oberst Dschemel Bey, ?um Militärgouverneur 
von Konstantinopel und der Major im 
Generalstabe, Halil Bey, zum Platzkomman 
danten ernannt. 
Das neue Kabinett trat gestern gegen 
Uhr nachmittags auf der Hohen Pforte 
unter dem Vorsitze Mahmud Schefket Paschas 
zusammen. Mir glauben zu wissen, daß die 
Beratungen die Maßnahmen betrafen, die er 
griffen werden sollen, um den Ordnungsdienst in 
der Hauptstadt zu sichern. Beraten wurde ferner 
über die Beantwortung der Vote der Mächte. 
Das Ministerium des Äußern teilte gestern 
sämtlichen diplomatischen Vertretungen der Türkei 
telegraphisch die Ernennung Mahmud Schefket 
Paschas zum Großwesir sowie die Vamen der 
übrigen Kabinettsmitglieder mit. 
In der Avenue der Hohen Pforte herrschte 
gestern seit dem frühen Morgen ungewöhnliches 
Leben. Eine zahllose Menge, die sich entweder 
die Straße hinauf- und hinabbewegte oder vor 
den Kaffeehäusern in der Vähe der Eisenbahn 
station Platz genommen hatte, erwartete geduldig 
den Vorüberzug der „Sedadrd alai", die den 
neuen Großwesir auf die Pforte führen sollte. 
Die Ordnung wurde durch Polyei zu Pferde 
und zu Fuß aufrechterhalten. Militärpatrouillen 
halfen ihr dabei. Gegen 3 Uhr nachmittags 
war es fast unmöglich, sich durch die Menge 
einen Meg zu bahnen. Selbst an der Landungs 
brücke der Sirkedschi erwarteten die Leute in 
Barken den Zug des Großwestrs. Die Polyei 
hatte Mühe, die Menge im Zaum zu halten, 
benahm sich aber bei ihrem Dienst mit ausge 
suchter Höflichkeit. Gegenüber dem Haupttor 
der Hohen Pforte hatte sich eine Gruppe von 
Journalisten aufgestellt, die die Ankunft Mah 
mud Schefket Paschas erwarteten. 
Gegen 3 U4 Uhr hörte man endlich die 
Signale, die das Vahen des Zuges verkün 
deten. Mahmud Schefket Pascha wurde auf 
seiner Vorbeifahrt der Gegenstand lebhafter 
Huldigungen. Vor dem Magen und hinter ihm 
ritten je ein Zug Lanzenreiter. Als er den 
Magen verlassen hatte und die Freitreppe zum 
Großwesirat hinaufstieg, wandte sich Mahmud 
Schefket Pascha um und grüßte die ihm unab 
lässig zujubelnde Menge. An der Eingangstllr 
wurde der neue Großwesir von den Ministern, 
höheren Offizieren und Beamten empfangen. 
Kurz darauf trafen die ersten Dragomane und 
Militärattaches der Botschaften und Gesandt 
schaften ein, um die üblichen Glückwünsche ab 
zustatten.
	        
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