Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die internationale Situation. 
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sein können. Viel glücklicher wären wir, wenn 
unser Aachbar Österreich-Ungarn unser Advokat 
wäre, um uns zur völligen Unabhängigkeit zu 
verhelfen. Wäre es von Rußland abgehangen, 
so wäre nie der Krieg gegen die Türkei zu 
stande gekommen. Rußland hat alles getan, um 
uns zu hindern. Es hat sogar gedroht und uns 
den Untergang prophezeit und erklärt, es werde 
nicht einen Finger für uns rühren. Auch in der 
Hafenfrage fördert uns Rußland nicht. 
Sagen Sie diese ehrlichen Worte eines 
ehrlichen Mannes Ihrem Blatte. Wenn wir 
auf Rußlands Ratschläge hören würden, so 
hätten wir schon längst unsere diesbezüglichen 
Prätensionen und damit uns selbst aufgegeben 
und würden ewig bettelnde, dankbare Schütz 
linge bleiben. Die Hafenfrage ist so wichtig, 
sie schneidet so in unser Lebensmark, daß wir 
auf niemanden hören werden. 
Wir wollen frei sein von jedem Protektorat, 
sei es welcher Art immer. Graf Berchtold ist 
ein sehr aufrichtiger Diplomat, ein loyaler Be 
rater Ihres von uns verehrten, ehrfurchtsvoll 
bewunderten Monarchen. Graf Berchtold wird 
uns nie etwas zu Leide tun. Wo aber haben 
wir die Garantie, daß auch alle seine Aach 
folger so wie er denken und handeln werden? 
Will man uns das Leben lassen, so muß man 
uns das Leben erst gebenl 
Die weitere Entwicklung der prochaska- 
Affäre. 
Am 20. Aovember ließ die österreichisch- 
ungarische Regierung vor der ungarischen Dele 
gation in der Prochaska-Affäre folgende Er 
klärung abgeben: 
Da der Herr Minister des Äußern leider 
durch eine dringende Abhaltung verhindert ist 
im Hause zu erscheinen, hat er mich beauftragt, 
in der Affäre des Konsuls prochaska die Mit 
teilung zu machen, daß gestern abends laut 
Telegramm unserer Gesandtschaft in Belgrad 
seitens der serbischen Regierung der von uns 
projektierten Entsendung eines Funktionärs des 
Ministeriums des Äußern zur Untersuchung des 
ganzen Vorfalles nach prizrend zugestimmt 
wurde. Dadurch ist die Möglichkeit, eine Ver 
bindung mit dem Konsul herzustellen, gegeben 
und voraussichtlich auch für eine objektive Behand 
lung der ganzen Sache die Grundlage geboten. 
Diese Erklärung wurde von der Delegation 
mit großem Beifall aufgenommen. Welcher Art 
die Befürchtungen waren, die man damals in 
Österreich-Ungarn hegte, zeigt eine Inter 
pellation, die am gleichen Tage und an 
schließend an diese Erklärung verhandelt wurde. 
Der Delegierte Franz Aagy führte in der De 
legation aus: 
Die Aachrichten, welche bezüglich des öster 
reichisch-ungarischen Konsuls in prizrend in den 
Blättern erschienen sind, erwecken in uns die 
schwersten Besorgnisse und bewegen mich, von 
dem Herrn Minister des Äußern Aufklärungen 
zu verlangen. Aach den erwähnten Blätter 
meldungen wurden beim Einmarsch der serbischen 
Soldaten in prizrend Angriffe gegen das 
Haus und die Person des österreichisch-ungari 
schen Konsuls gerichtet, die als empörend be 
zeichnet werden müssen. Das serbische Militär 
soll ein förmliches Blutbad angerichtet und die 
Weiber und Kinder, welche in das österreichisch- 
ungarische Konsulat geflüchtet waren, in van- 
dalischer Weise niedergemetzelt haben und der 
österreichisch-ungarische Konsul selbst soll bei der 
Verteidigung seines Hauses verwundet worden 
sein. 
Anderen Aachrichten zufolge soll der Konsul 
von jeder Berührung mit der Außenwelt abge 
schnitten und sogar interniert worden sein. 
Gestern ist auch noch die erschreckende Aachricht 
aufgetaucht, daß der Konsul getötet worden sei. 
Wenn diese Aachrichten wahr sind, stehen wir 
einem Falle gegenüber, der von keinem Staate, 
um so weniger aber von einer Großmacht ge 
duldet werden darf. Es ist dies ein beispiel 
loser Fall, der die elementarsten Regeln des 
Völkerrechtes verletzt und den man unmöglich 
ohne Retorsion lassen könnte. Wenn diese 
Aachrichten wahr sind, müssen wir eine Genug 
tuung verlangen, die einerseits der Würde und 
dem Ansehen der Monarchie und anderseits den 
Forderungen der Humanität entspricht. Ich 
würde es gerne sehen, wenn die Meldungen 
über die Grausamkeiten der serbischen Armee 
und der ungeheuere, der Monarchie zugefügte 
Affront nicht der Wahrheit entsprächen, aber sie 
beunruhigen uns doch und der Gedanke an die 
Möglichkeit dieser Tatsachen empört uns so sehr, 
daß wir verlangen müssen, über den tatsäch 
lichen Stand der Dinge aufgeklärt zu werden, 
und energisch fordern, daß die Leitung der aus 
wärtigen Angelegenheiten alles tue, was der 
Würde und dem Ansehen der Monarchie ent 
spricht. Mit Rücksicht auf die beunruhigenden 
Meldungen, welche bezüglich des österreichisch 
ungarischen Konsuls in prizrend verbreitet sind, 
erlaube ich mir an den Minister des Äußern 
die folgenden Anfragen zu richten: 
Besitzt der Herr Minister des Auswärtigen 
Kenntnis von den gegen den österreichisch-ungari 
schen Konsul in prizrend verübten Angriffen und 
von der tatsächlichen Lage dieses Konsuls? 
Ist der Minister des Äußern geneigt, 
Schritte zu unternehmen, welche die Angelegen 
heit vollkommen klären und durch welche die 
unverzügliche Sanierung etwa entstandener 
Gravamina herbeigeführt werden?
	        
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