Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Botschafterreunion und die Balkanfragen. 
1S2 
□□ 
und fand außerdem den Ausweg, den Großen 
Aat in Konstantinopel zur letzten Entscheidung 
zusammenzurufen. 
Am 22. Januar trat diese Votabelnversamm- 
lung in Konstantinopel zusammen, sprach sich 
für die Annahme der Kollektivnote der Mächte 
und für den Abschluß des Friedens aus. Mir 
werden auf diese Vorgänge noch des Väheren 
zurückkommen. 
Die Botschafterreunion und die Balkanfragen. 
^ie Botschafterreunion hatte bekanntlich 
die Autonomie Albaniens beschlossen. 
Albanien war aber vorerst nur ein 
Begriff, und es handelte sich darum, 
auch die Grenzen des neuen Staates festzu 
stellen. Das war eine außerordentlich schwierige 
Aufgabe, und die Mächte hatten an ihrer Lö 
sung noch zu arbeiten, als der Friede längst ge 
schloffen war. Es mag hier ein Aufsatz einge 
reiht sein, den ein hervorragender Kenner Al 
baniens, Dr. v. Le Monnier, zu Beginn des 
Januar über diese Frage veröffentlichte. Es heißt 
in diesem Aufsatz: 
Menn auch durch die Annahme des Prin 
zipes der Schaffung eines autonomen Staates 
Albanien durch die Botschafterreunion einer der 
wichtigsten Schritte zum Frieden auf der Balkan 
halbinsel unzweifelhaft gemacht worden ist, so 
tauchen doch erst jetzt die bedeutenden Schwierig 
keiten, die mit der Abgrenzung des neuen Staa 
tes verbunden sind, mit großer Schärfe auf. 
Die ethnographischen Grenzen der einzelnen, die 
Balkanhalbinsel bewohnenden Völker sind höchst 
unsicher gezogen und es ist' sehr schwer, auf 
Grund unserer heutigen lückenhaften Kenntnis 
die Grenzen Albaniens in dauernder Meise zu 
bestimmen. Je nach dem Standpunkte des be 
treffenden Staatsmannes und Diplomaten wer 
den dieselben bald weiter, bald enger gezogen 
sein. So lesen wir in der ..Pall Mall Gazette", 
daß der erste serbische Delegierte, Herr Vovako- 
vic, dem britischen Minister des Äußern, Sir 
Edward Grey, namens der Balkanstaaten eine 
Landkarte vorgelegt habe, auf der die Grenzen 
Albaniens nach ihren Vorschlägen eingezeichnet 
waren, wonach dasselbe nur einen schmalen 
Seestreifen am Adriatischen Meere erhalten solle. 
Der Vertreter Rußlands habe ebenfalls Sir 
Edward Grey eine Landkarte überreicht, wo 
Albanien schon etwas mehr Raum erhalten 
habe, doch steht Rußland auf dem Standpunkt, 
daß nur rein albanesische Gebiete Albanien 
bilden sollen, dagegen alle zweifellos früher zum 
geographischen Begriffe Albanien gerechneten 
Territorien, wo unter den Albanesen eingesprengt 
Serben wohnen, an Serbien fallen sollen. Da- 
yrit würde aber Albanien auf ein Gebiet an 
der Küste des Adriatischen Meeres beschränkt 
sein, von dem es fraglich erschiene, ob es für sich 
allein imstande wäre, sich gegen seine freund 
lichen Vachbarn zu wehren und unabhängig zu 
bleiben. Endlich soll auch Österreich-Ungarn eine 
solche Landkarte Sir Edward Grey übergeben 
haben, in welcher Albanien alle Gebiete zuer 
kannt werden, die nach der bisherigen Auf 
fassung zweifellos zu Albanien gerechnet worden 
sind. Es wäre sehr interessant, diese drei Karten 
miteinander vergleichen zu können, denn man 
könnte dann mit einem Blicke die diametral 
entgegengesetzten Standpunkte der betreffenden 
Staaten in der albanesischen Frage überschauen. 
Da wir aber nicht so glücklich sind, in diese 
mit diplomatischen Geheimnissen umhüllten Land 
karten Einsicht zu nehmen, müssen wir uns die 
Frage selbst zu beantworten suchen: Mie sollen 
die Grenzen des künftigen Albanien gezogen 
werden, damit dieser neue Staat von Anfang 
an lebensfähig und imstande sei, seine politische 
und wirtschaftliche Unabhängigkeit gegen seine 
Vachbarvölker aufrecht zu erhalten? 
Beginnen wir mit der Betrachtung der Vord- 
grenze des neuen Staates, so müßte man sich 
unbedingt für die Beibehaltung der gegenwärti 
gen politischen Grenze zwischen der Türkei, be 
ziehungsweise Albaniens und Montenegros, aus 
sprechen, denn sie ist eine vollkommen treue 
ethnographische Abgrenzung, auf welche die 
Balkanstaaten anfangs so hohen Mert gelegt 
haben. Doch beginnen hier sofort die größten 
Schwierigkeiten, indem Montenegro ja mit allen 
Mitteln den Besitz von Skutari, das richtiger 
Scutari d’Albania heißt, anstrebt. Bis jetzt kann 
aber König Mkita keinen Rechtstitel, am aller 
wenigsten den des Eroberers für sich in An 
spruch nehmen. Denn es ist dem sonst so sieg 
gewohnten Volk der Schwarzen Berge noch 
nicht gelungen, den tapferen Verteidigern irgend 
welchen Schaden zuzufügen, vielmehr holten 
sich die Montenegriner hier Schlappe auf 
Schlappe. Sowohl in politischer als auch in 
wirtschaftlicher Beziehung ist Skutari die be 
deutendste Stadt Albaniens, seine wahre Haupt 
stadt, nach der es gravitiert. Stets war hier der 
Hauptsitz der Verwaltung und der militärische 
Konzentrierungspunkt Albaniens. Es ist von 
32.000 meist albanesischen, teils katholischen,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.