Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Bemühung der Mächte um die Fortsetzung der Zriedensverhandlungen. 
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gung wird die Demarche wahrscheinlich in den 
allernächsten Tagen erfolgen. 
Die Demarche der Mächte in Konstan 
tinopel. 
Die Überreichung erfolgte indes doch nicht 
so rasch als man geglaubt hatte; die so oft pro 
klamierte Einigkeit der Mächte zeigte sich, wie 
bei jeder Gelegenheit, in einem merkwürdigen 
Lichte. Die Botschafter in Konstantinopel hatten 
sich geeinigt, aber ihre Regierungen redigierten 
an dem Text herum und erst am 17. Januar 
nachmittags konnten die Botschafter dem türki 
schen Minister des Äußern die Note überrei 
chen. Sie hatte folgenden Wortlaut: 
Die unterzeichneten Botschafter von Öster 
reich-Ungarn, England, Frankreich, Ausland und 
Italien sind von ihren Negierungen beauftragt 
worden, Sr. Ereilen) dem Minister der Aus 
wärtigen Angelegenheiten Sr. kaiserlichen Ma 
jestät des Sultans die folgende Mitteilung xu 
machen: 
In dem Wunsche, der Wiederaufnahme der 
Feindseligkeiten vorzubeugen, glauben die ge 
nannten Mächte die Aufmerksamkeit der kaiser 
lich ottomanischen Negierung auf die schwere 
Verantwortung lenken zu sollen, die sie auf sich 
nehmen würde, wenn sie entgegen den Nat- 
schlägen der Mächte die Wiederherstellung des 
Friedens verhindern würde. 
Die Türkei würde es nur sich selbst zuzu 
schreiben haben, wenn die Fortsetzung des Krieges 
zur Folge hätte, daß das Schicksal der Haupt 
stadt in Frage gestellt und die Feindseligkeiten 
vielleicht auf die asiatischen Provinzen des 
Neiches ausgedehnt werden. 
In diesem Falle wird sie nicht auf einen 
Erfolg der Bemühungen rechnen können, sie vor 
Gefahren zu bewahren, denen sich auszusetzen 
die Mächte ihr bereits widerraten haben und 
auch weiter abraten. 
Wie die Dinge liegen, wird die kaiserlich 
ottomanische Negierung nach dem Friedensschlüsse 
des moralischen und materiellen Beistandes der 
europäischen Großmächte bedürfen, um die 
Schäden des Krieges wieder gut zu machen, 
ihre Stellung in Konstantinopel zu festigen und 
die weiten asiatischen Gebiete in guten Stand 
zu sehen, deren Gedeihen ihre wirksamste Stärke 
bilden wird. 
Um dieses notwendige Werk zu unternehmen 
und durchzuführen, würde die Negierung Sr. 
kaiserlichen Majestät des Sultans auf die 
Wirksamkeit der wohlwollenden Unterstützung 
der Mächte nur dann rechnen können, wenn sie 
ihren Natschlägen folgen wird, die von den 
allgemeinen Interessen Europas und denen der 
Türkei eingegeben sind. 
Unter diesen Umständen glauben die euro 
päischen Großmächte gemeinsam der kaiserlich 
ottomanischen Negierung erneut den Nat geben 
zu sollen, der Abtretung der Stadt Adrianopel 
an die Balkanverbündeten zuzustimmen und den 
Großmächten die Sorge zu überlassen, über 
das Schicksal der Inseln des Agäischen Meeres 
zu bestimmen. 
Gegenüber diesem Zugeständnisse würden 
die genannten Mächte es sich angelegen sein 
lassen, den Schuh der muselmanischen Inter 
essen in Adrianopel und die Achtung vor den 
in dieser Stadt befindlichen Moscheen, religiösen 
Gebäuden und Grundstücken zu sichern. Eben 
so würden sie dahin wirken, daß bei der 
Lösung der Frage der Inseln des Archipels 
jede Bedrohung der Sicherheit der Türkei aus 
geschlossen sei. 
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* 
Das war also die gemeinsame Note der 
Großmächte an die Türkei. Uber den Eindruck 
in Konstantinopel wurde am 18. Januar be 
richtet: 
Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, wird 
eine große militärische Beratung stattfinden, deren 
Beschlüsse Kriegsminister Nazim Pascha dem 
Ministerrat vorlegen soll, in welchem die Ent 
scheidung über die Antwort der Türkei auf den 
Schritt der Mächte fallen wird. In jungtürki 
schen Kreisen wird dafür agitiert, daß die Ent- 
fcheidung in erster Linie in die Hände der Mili 
tärs gelegt werde. 
In der Öffentlichkeit hat der Schritt der 
Mächte keinen größeren Eindruck gemacht, da 
man auf ihn seit Tagen vorbereitet war. Das 
Organ der nationalen Vereinigung, „Ifham", 
stimmt mit allen anderen Blättern darin über 
ein, daß ein Nachgeben nicht möglich sei, und 
der Krieg in einigen Tagen wieder ausbrechen 
werde. 
Am 18. Januar, 1 Uhr mittags, trat auf 
der Pforte der türkische Ministerrat zusammen. 
Minister Noradunghian legte den Entwurf einer 
Antwortnote auf den Kollektivschritt der Mächte 
vor. Der Entwurf wiederholte die bekannten 
ethnographischen, religiösen und strategischen 
Gründe gegen die Abtretung Adrianopels, 
nimmt zur Kenntnis, daß selbst die Großmächte 
die Wichtigkeit des Archipels für die Türkei 
durch ihr Angebot der Lösung anerkennen, hofft 
daß diese Lösung für die Türkei günstig aus 
falle und schließt mit der Versicherung der fried 
lichen Gesinnung der Pforte. 
Das war der Entwurf des Ministers des 
Äußern. Er wurde in diefer Form nicht ange 
nommen; Kiamil Pascha, der immer zum Frie 
den neigte, gewann im Ministerrat eine Mehr 
heit, die für eine friedliche Entscheidung war,
	        
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