Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die weiteren Kriegsereignisse )ur See während der Friedensverhandlungen. 
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So, wie die Balkanverbündeten sich die 
Verhandlungen gedacht hatten, verliefen sie trotz 
des ehrlichen Friedenswillens der türkischen Re 
gierung nicht. Die Vertreter der 4 König 
reiche glaubten, die türkischen Unterhändler ein 
fach majorisieren zu können, glaubten, das) es 
ihnen möglich sein würde, in Bausch und Bogen 
die Rbtretung fast der gesamten europäischen 
Türkei von heute auf morgen ?u erzwingen. Die 
dürftigen Berichte, die über die Verhandlungen 
in London vorliegen, lassen erkennen, das) die 
Unterhändler der Balkanverbündeten geradezu 
brutal vorgingen — an der passiven Resistenz 
Reschid Paschas und seiner türkischen Kollegen 
scheiterte zunächst diese Brutalität. Zudem sind 
eben die Türken noch immer die besseren Diplo 
maten gewesen und haben ihren Ruf als solche 
auch in London bewährt. 
Vorläufig waren also die Verhandlungen 
abgebrochen, und man wartete auf die Ver 
mittlung der Großmächte, man wartete darauf, 
das) die Botschafterreunion sich angelegen sein 
lassen würde, die Konferenz wieder in Fluß zu 
bringen. 
Die weiteren Kriegsereigniffe M See während der Friedens 
verhandlungen. 
ach dem Seegefechte vor den Darda 
nellen am 18. Dezember, bei der keine 
der beiden Parteien einen Sieg er 
focht, keine eine Riederlage erlitt, 
schritten die beiden Flotten zur Reparatur der 
erlittenen Beschädigungen. 
Im Laufe der folgenden Wochen trafen die 
Türken Vorbereitungen für Truppentransporte 
über See. Zunächst hieß es, die Truppen seien 
zu Landungen auf Inseln bestimmt. Mittler 
weile wurde der Mangel an Kohlen fühlbarer 
und am 22. Dezember erklärte die Pforte nach 
einer Zeitungsmeldung, daß sie Kohle nicht mehr 
als Kriegskonterbande betrachte. 
Rn demselben Tage unternahmen der türkische 
Kreuzer „Medschidijeh" und 6 Zerstörer eine 
Rufklärungsfahrt in See und vertrieben 4 grie 
chische Zerstörer nebst einem Unterseebot bis 
Tenedos, bis diesen der „Rveroff" zu Hilfe kam. 
Die türkischen Schiffe kehrten in die Dardanellen 
zurück und „Rveroff" ging nach der Mudros- 
Bucht (Lemnos) zur Fortsetzung der Repara 
turen. 
Bei der Bewachung der Dardanellen um 
diese Zeit hat anscheinend das Unterseeboot 
„Delphin" eine wichtige Rolle gespielt. Das 
Boot wird in verschiedenen Meldungen genannt. 
Reben diesen Unternehmungen fand die tür 
kische Flotte im Schwarzen Meer (trotz des 
Waffenstillstandes) Gelegenheit zur Betätigung. 
Während der Weihnachtstage brachte ein tür 
kisches Kanonenboot 9 Fahrzeuge mit Rah- 
rungsmitteln dort auf, die für die bulgarische 
Rrmee bestimmt waren. Es dürfte sich hierbei 
nur um kleinere Prähme oder dergleichen ge 
handelt haben. Die Prisen wurden nach Kon 
stantinopel gebracht. 
Die geringen Russichten auf Erfolg bei den 
Friedensverhandlungen führten gegen Ende des 
Jahres 1912zu neuen energischen Rüstungen und 
Truppennachschüben seitens der Balkanstaaten. 
Die Türken zogen weitere aus Rnatolien kom 
mende Truppen auf Gallipoli zusammen; ihre 
Gegner trafen dementsprechende Maßregeln. Zu 
Rnfang Januar waren die Reparaturen der 
türkischen Schiffe — einschließlich des Kreuzers 
„Hamidijeh" — in der Hauptsache beendet. 
Der türkische Unternehmungsgeist war geweckt 
und verlangte nach neuen Taten. Rm 4. Ja 
nuar 7 Uhr 30 Minuten vormittags gingen 4 
türkische Schiffe („Torgut Reis", „Rffar-i- 
Tewfik" und beide kleinen Kreuzer) nebst eini 
gen Zerstörern zu einer Rufklärungsfahrt nach 
Tenedos in See. Rls die Griechen mit „Rve- 
roff" an der Spitze ihnen entgegentraten, liefen 
die Türken wieder in die Dardanellen ein. Rm 
6. Januar erfolgte ein zweiter Vorstoß, der an 
scheinend bis Chios ging. 
Die Bestrebungen der Griechen, die türkische 
Flotte möglichst weit in See zu locken, hatten 
aber wieder keinen Erfolg. Die Türken be 
gnügten sich mit der Feststellung der gegnerischen 
Stärke und scheinen das Ganze mehr als 
Ubungsfahrten nach der vorausgegangenen drei 
wöchentlichen Untätigkeit aufgefaßt zu haben. 
Der Chef der Dardanellenffotte, Kapitän Ramsi, 
sollte einem Gerücht zufolge zu der Rnsicht ge 
langt sein, daß die türkische Flotte keine großen 
Russichten in dem erneut seitens der Regierung 
nahegelegten Kampf mit ihrem Gegner habe, 
denn am 12. Januar wurde gemeldet, Kapitän 
Ramsi fei zurückgetreten, weil er die Verant 
wortung für ein weiteres Vorgehen gegen die 
griechische Flotte nicht übernehmen wolle. Rls 
Rachfolger wurde Halil Pascha genannt. Cs 
scheint sich aber, wie die „Marinerundschau" 
annimmt, nur um ein — wenn auch vielleicht 
bezeichnendes — Gerücht gehandelt zu haben,
	        
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