Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die internationale Situation. 
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und freute sich am Schlittschuhlaufen auf dem 
See, das er in dem frostreichen Winter von 
1662 )um erstenmal erblickte. 
Königin Anna verlegte dann den Sitz des 
Hofes definitiv nach St. James, während die 
anderen Herrscher noch hie und da in Whitehall 
residiert hatten. Der alte Bau wurde nun nicht 
nur Mittelpunkt des Hoflebens, sondern auch 
der hohen Politik, und im 18. Jahrhundert waren 
die Augen der ganzen Welt gar häufig nach 
den verwitterten Mauern gerichtet, weil hier über 
die Geschichte Europas beraten wurde. Die 
lustige Zeit der vier George erfüllte die hohen 
Gewölbe und die langen Gänge mit hellem 
Lachen; Königin Karoline, die Gattin Georgs 11., 
hielt hier ihren Salon. Unzählige Skandale 
und Intrigen, prunkvolle Festlichkeiten und auf 
regende Menteuer hat der alte Palast im 18. Jahr 
hundert gesehen, bis auch ihn fein Schicksal er- 
Die internationale Situation. 
gierung behindert, befand sich gewissermaßen 
als serbischer Gefangener in prhrend. Dcyu 
kam die serbische Hafenfrage. Roch in der 
zweiten Rovemberhälfte hielt Serbien unbedingt 
an der Forderung eines Adriahafens fest. Wie 
schon früher, so erklärte der serbische Minister 
präsident Pa sic am 18. Rovember einem Jour 
nalisten: 
Serbien fordert auf das bestimmteste den 
Weg Mm Meere, denn dies hängt aufs engste 
mit seiner Unabhängigkeit zusammen und ist die 
Grundbedingung seiner staatlichen Existenz 
Aber diese Frage wird erst nach dem Kriege 
entschieden werden. Denn es ist unmöglich, M 
gleicher Zeit Krieg M führen und eine so große 
diplomatische Frage M regeln. Mles, was bis 
her geschehen ist, waren nur vorläufige Ver 
handlungen. So viel aber ist bestimmt, daß wir 
an der Forderung eines Hafens festhalten. 
Serbien hegt die größte Sympathie gegen 
über den Albanesen, was sich auch in diesem Kriege 
deutlich gezeigt hat (!), wo die albanesischen 
Stämme sich nicht gegen Serbien erhoben. 
Ich habe die Empfindung, daß der Friede 
in diesem Augenblick nicht gefährdet scheint, wenn 
auch die Lage sehr ernst ist. Ich kann auch die 
jetzige außerordentliche Nervosität nicht begreifen, 
da doch Serbien nur die ihm zukommenden 
natürlichen Dinge verlangt und nichts von der 
Monarchie haben will. Aber diese Sache muß 
jetzt endgiltig bereinigt werden. Wenn wir die 
orientalische Frage endlich einmal regeln, dürfen 
keine strittigen Punkte übrig bleiben, welche die 
,* 
'tn St. James-Palast sollten nun die 
Verhandlungen beginnen, die demBalkan 
den Frieden wiederMgeben berufen schie 
nen. Ehe wir jedoch auf die Verhand 
lungen selbst eingehen, erscheint es not 
wendig, einen Blick auf die internationale Lage 
M werfen, wie sie sich durch den Balkankrieg 
gestaltet hatte. Cs ist im ersten Teil bereits 
eingehend geschildert worden, wie aus der Balkan 
krise eine europäische Krise geworden war, welche 
Schwierigkeiten den europäischen Kabinetten von 
Anfang an aus der Aufrollung der Balkanfrage 
entstanden und wie diese Schwierigkeiten sich 
verschärft hatten. Zwischen Österreich-Ungarn und 
Serbien, Mischen Bulgarien und Rumänien 
erhoben sich drohende Fragen, Rußland hatte 
seine Regimenter an der Südgreiye des Reiches 
mobilisiert, Österreich-Ungarn hatte sich gezwungen 
gesehen, Teile seiner Armee auf den erhöhten 
Friedensstand M bringen. Sehen wir, wie die 
Dinge sich inzwischen entwickelt hatten. 
Österreich-Ungarn und Serbien. 
Im Vordergrund des Interesses stand in 
jenen Tagen der Zwist Mischen Österreich-Ungarn 
und Serbien. Der Fall des Konsuls prochaska 
hatte nach langwierigen Verhandlungen noch 
immer M keinem befriedigenden Ergebnis geführt. 
Die Befürchtungen, Konsul prochaska möchte 
von serbischen Soldaten ermordet worden sein, 
bestätigten sich glücklicherweise nicht, aber der 
Konsul war im Verkehr mit seiner Re- 
reichte. Im Jahre 1609 fiel er einer Feuers 
brunst Mm Opfer. Rur die Kapelle, das wuch 
tige Portal mit den beiden gebieterischen Wacht 
türmen Mr Seite und die große Empfangshalle 
entgingen dem Raub der Flammen. In dem 
wiederhergestellten Palast haben die Herrscher 
sich nicht mehr heimisch gefühlt. Die alte Re 
sidenz galt hauptsächlich als königliches Gastlogis 
und daneben als höfisches Festlökal. Rach der 
Überwindung Rapoleons haben König Friedrich 
Wilhelm Ul., Zar Alexander 1. und Fürst Blücher 
dort gewohnt, und die Chronisten beschreiben sehr 
ergötzlich, wie der Marschall Vorwärts sich an 
einem Fenster des Erdgeschosses königlich über 
die unermüdlichen Huldigungen der Volksmenge 
freute. Eine Reihe fürstlicher Hochzeiten hat in 
dem alten Palast stattgefunden; Königin Viktoria 
hielt ihre Winterempfänge in den weiten Räu 
men ab.
	        
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