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Die Zriedensverhandlungen.
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vorhängen und verschossenen Stuhlüberzügen zu
sehen, der mußte staunen über die dürftige Aus
stattung des Palastes. Lange vor Georgs IV. Tode,
nahezu anderthalb Jahrhunderte lang, hatte der
St. James-Palast aufgehört, königliche Residenz
zu sein; seine Staatszimmer sind im Jahre 1887
beim goldenen Regierungsjubiläum der Königin
Viktoria, also vor einem Vierteljahrhundert zum
letzten Mal dem Publikum geöffnet worden.
Das) ein seit Generationen leerstehendes Schloß
nicht besonders prunkvoll eingerichtet ist, versteht
sich von selbst.
Vor Eröffnung der Verhandlungen waren
Hunderte von Arbeiterhänden beschäftigt, den
Staub und Schutt von Menschenaltern in
Magenladungen hinauszubefördern und im In
nern den längst verblichenen Glanz in aller
Eile einigermaßen wieder aufzufrischen.
In ganz England ist übrigens kein anderes
Anna Boleyn verlor. Einige ineinander ver
schlungene A und H auf den Seitentüren des
Hauptportals und am Kaminsims des Empfangs
saales zeugen noch von dem kurzen Liebesbunde,
der eine so blutige Lösung fand. Hans Holbein
hatte dem König seine baumeisterliche Unter
stützung geliehen; so ungeduldig war Heinrich VIII
seine neue Residenz zu beziehen, daß er nicht
einmal wartete, bis der Bau vollendet war,
sondern mit seinem glänzenden Hofstaat einzog,
während noch weite Teile unfertig lagen. Später
ist dann die gesamte Anlage nur notdürftig
unter Dach gebracht worden und hat den Cha
rakter des provisorischen nie ganz verloren.
Vach den erregten, an glanzvoller Heiterkeit
und blutigen Zwischenfällen wechselnden Tagen
Heinrichs VIII. legte sich eine trübe schwere Stim
mung über den Palast unter der Regierung
Maria der Katholischen, die sich häufig nach St.
St. James-Palast mit park.
öffentliches Gebäude an geschichtlichen Er
eignissen mannigfacher Art so überreich, wie
der St. James-Palast; wenn seine Steine
reden könnten, sie würden viel erzählen von
der Tragik, von der Ironie und Vergänglich
keit fürstlicher Schicksale im Laufe fast eines
Jahrtausends.
Steigt man bis zur Vorgeschichte dieses
Baues, der so eng mit den Schicksalen Groß
britanniens verknüpft ist, herab, so findet man
die ersten Spuren einer Ansiedlung an dieser
Stätte schon in den Vormannenzeiten, als die
Schwestern des Ordens von St. James hier
ein Heim für aussätzige Frauen errichteten. Viele
Jahrhunderte walteten die frommen Pfleger
innen ihres segensreichen Amtes, bis schließlich
Heinrich VIII. das Hospital dem Erdboden gleich
machen und einen gewaltigen palastbau auf
führen ließ. Es war im gleichen Jahre, als der
König fein wankelmütiges Herz an die schöne
James zurückzog. Karl l., der unglückliche Stuart,
hat die letzte Vacht seines Lebens in diesem
Schlosse verbracht, von rauchenden und zechenden
Soldaten unausgesetzt bewacht, bis man ihn am
nächsten Morgen zur Richtstätte in Mhitehall
führte. Der Leichnam des Enthaupteten wurde
eine Meile im St. James-Palast aufbewahrt,
dann einbalsamiert und in der Georgskapelle zu
Mindsor beigesetzt. Der Palast wurde später zum
Schauplatz jener heiteren Lustbarkeiten, die
Karl 11. nach der Restauration heraufführte.
Der genaueste Chronist dieser Zeit, Pepys, der
so unermüdlich in sein Tagebuch die „großen
und edlen Abwechslungen des Hofes" aufschrieb,
hatte im park von St. James und unter dem
großen Torbogen des Haupteinganges immer
etwas zu bestaunen. Hier sah er die großen
Maschinen, die die prächtigen Masserkünste vom
Fluß in den park leiteten, betrachtete den bo
tanischen Garten mit seinen seltenen Pflanzen