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Die Greuel des Krieges.
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mit dem Tode bedroht, nachts brach man in
den Häusern ein, wobei man mit Vorliebe die
Häuser der türkischen Offiziere wählte, wo die
Krauen vergewaltigt wurden. 64 Personen, welche
sich ohne jede Bewaffnung nach Saloniki auf
den Weg gemacht hatten, wurden bei Madenjeri
niedergemacht. Die hervorragendsten Moham
medaner, 59 an der Zahl, wurden nach grau
samen Koltern getötet. Darunter sind: Ali Aiza
Effendi und sein Bruder Ami Gasur, Hakki
Effendi und Bekir Bey, Achmed, der Scheich
der Mewlewi-Derwische, der Schuhmachermeister
Achmed Aga, Mehmed Tschausch, Eschrew und
Mustafa Aga, beides angesehene Kaufleute, drei
Kinder des Eumer Tschausch, Dschavid Bey aus
Strumnitza, Hakki Effendi, Sohn des Haffan
Aga, Juffuf, der Kaffeesieder, der Gendarm
Iahia, Polizeikommissär Ali Effendi u. a. m.
Alle Häuser der Mohammedaner wurden ge
plündert; dasselbe Schicksal widerfuhr den Häu
sern der Türken in der Umgebung.
Die Ortschaften Urgandschilar, Popowa,
Taldschali, Bujuklü, Tschillü, Gensetschellü,
Surlowa wurden niedergebrannt, die moham
medanische Bevölkerung abgeschlachtet. Die.
Mohammedaner der Dörfer Kirbatsch Bala
und Kirbatsch Sir, ferner von Sineniktscheh
und Palmesch, die man ebenfalls mit dem Tode
bedroht hatte, sind zum Christentum über
getreten. Als die griechischen Truppen dorthin
kamen, hörten die Grausamkeiten gegen die
Bevölkerung auf. Auf der Straffe Mischen
Doiran und Gewgheli wurde 16 Mohammedaner
durch Geschützfeuer getötet. Aus Urgandschilar
wird berichtet, daff dort 90 Mohammedaner
mit Stricken von Hals zu Hals aneinander
gefesselt und dann mit dem Bajonett nieder-
gestoffen wurden. Alle früher zum Islam über
getretenen christlichen Krauen sind wieder ge
tauft und ihre Männer vor ihren Augen um
gebracht worden. Zahlreiche Personen sind
Hungers gestorben, da ihnen alle Lebens
mittel und das gesamte Getreide weggenommen
wurden.
Der Kaufmann, dessen Aame hier wohl
bekannt ist, behauptet, sich keiner Übertreibung
schuldig gemacht zu haben; überdies werden
diese traurigen Vorgänge auch von anderer
Seite an hiesige Konsulate gemeldet. Im Sand-
schak Serres sollen von einer mohammedani
schen Bevölkerung von ungefähr 134.000 Seelen
an die 20.000 Männer umgebracht worden
sein. Die bulgarische Landbevölkerung hat das
Vernichtungswerk der Mohammedaner beson
ders betrieben, ebenso die bulgarischen Banden,
die sich überall mit reicher Beute beladen
haben.
Die Berichte über diese Greueltaten er
regten naturgemäff das gröffte Aufsehen in der
europäischen Öffentlichkeit und die bulgarischen,
die griechischen und die serbischen Behörden
sahen sich veranlafft, zu dementieren. Die
Greuel wurden einfach abgeleugnet und den
Türken Kreveltaten zur Last gelegt, die schon
deshalb den Stempel der Erfindung an sich
trugen, weil die Türken teilweise gar nicht in
die Lage kommen konnten, in solcher Art zu
hausen. Gewiff sind auch von mohammedani
scher Seite Greueltaten verübt worden, aber im
Vergleich zu denen der verbündeten Balkan
völker kommen sie gar nicht in Betracht, über
den Wert der offiziellen und offiziösen Ab
leugnungsversuche erhielt die „Kölnische Zeitung",
die sich um die Veröffentlichung dieser haar
sträubenden Vorgänge ein Verdienst erworben
hat, aus Saloniki anfangs Zanuar folgende
Korrespondenz:
Die Griechen beginnen eine gewisse
Empfindlichkeit wegen der in verschiedenen
Blättern von Zeit zu Zeit auftauchenden Aach
richten zu zeigen, die ihnen unliebsame Ereig
nisse erörtern oder Tadel ihrer Verwaltung ent
halten. Ihre, amtlichen Stellen in Athen,
Saloniki undJ sogar in Wien bemühen sich
deshalb, diese-'Aachrichten abzuschwächen, oder
überhaupt in Abrede zu stellen, wodurch aller
dings Tatsachen nicht aus der Welt geschafft
werden können. Zuerst muffte sich der Groff-
rabbiner von Saloniki dazu bequemen, dem,
Prinzen Aikolaus einen Brief zu fchreiben-
womit er sozusagen die schwersten Anschuldi
gungen widerrief, die gegen die.griechischen
Soldaten namens der hiesigen von ihnen zu
Beginn der Besetzung Salonikis arg bedrängten
Israeliten erhoben worden waren. Dieser Brief
wurde durch die „Agence d'Athenes" und die
Wiener griechische Gesandtschaft nach Kräften
ausgeschrotet, galt es doch, dadurch zu be
weisen, wie unrecht man den griechischen Sol
daten getan hatte. Wer davon wuffte, welche
Bewandtnis es mit diesem Briefe hatte, dachte
ganz anders darüber. Hussein Hilmi Pascha,
der gegenwärtige türkische Botschafter in Wien,
hat von Berichten erzählt, die vom französischen
Gendarmerieoberstleutnant Koulon stammen, der
sich bislang in türkischen Diensten befand. Was
die türkischen Offiziere nach der Übergabe
Salonikis ausgestanden haben, was man sich
den armen, entwaffneten türkischen Soldaten
und Gendarmen gegenüber von griechischer
Seite erlaubt, das wieder aufzuwärmen wäre
abgeschmackt, doch ist es in jedermanns frischester
Erinnerung. Aber den Griechen paffte es nicht,
daff solche Äußerungen von derartiger Stelle
an die Öffentlichkeit kamen und nun wurde
auch Oberstleutnant Koulon zu einem „Dank-