Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Vom maritimen Kriegsschauplatz. 
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Einen fesselnden Bericht über das Gefecht 
brachte die „Schlesische Zeitung" aus Lhanak 
Kalessi, 17. Dezember: 
Zu meiner Freude bin ich in der Lage über 
die Vorbereitungen und den Verlauf des See 
gefechts vor Kum Kale zu berichten. Als ich 
am 15. Dezember unter unsagbaren Gelände 
schwierigkeiten von Lampsakos nach Chanak 
Kalessi ritt, behielt ich die Dardanellenstraße 
dauernd im Auge. Zunächst fiel mir die schnelle 
Durchfahrt der beiden italienischen Panzer auf, 
die von ihrem Konstantinopler Posten nach 
Spezia abberufen worden sind, wie die Öster 
reicher vorher nach pola. Die Italiener wurden 
in der Rähe des alten Abydos — bei Fort 
Rogra — von einem türkischen Torpedoboot 
unter Volldampf überholt. An Bord dieses 
Fahrzeuges befand sich, wie ich später 
erfuhr, der Inspekteur des Torpedo- 
und Minenwesens Szamviwsky, ein 
geborener Deutscher. Man hatte ihn 
eilig nach Chanak Kalessi geholt, 
damit er den Zustand der Blei 
kapseln auf dem Kopfe der Unter 
seeminen untersuche. Etwa 10 Kilo 
meter vor Chanak beobachtete ich 
längere Zeit die Manöver eines 
Torpedojägers, der die Minen auf 
suchte, über die Wasserfläche hob 
und revidierte. Diese Emsigkeit schien 
mir auffallend und trieb mich zur 
Eile. 
Um 10 Uhr vormittags dröhnte 
von Scharköj her der Donner schwerer 
Schiffsgeschühe, ein Beweis, daß 
das Torpedoboot „Sultan Hiffar" 
die Beschießung des verlorenen Ortes 
begonnen hatte. Bald tauchten auch 
zwei weitere Torpedoboote von Osten 
her auf — vermutlich die vom „Sul 
tan Hiffar" abgelösten — und be 
gaben sich nach Chanak Kalessi. Da man daraus 
schließen konnte, daß etwas im Gange sei, er 
griff die einheimischen Tscherkessen eine merk 
liche Spannung. Am Horizonte waren die Rauch 
säulen der griechischen Blockadeschiffe sichtbar. 
Schon seit Wochen waren täglich Funkentele 
gramme mit der Aufforderung an die türkische 
Flotte eingetroffen, sie solle sich zur Schlacht 
stellen. Am tollsten war das Telegramm am 
Samstag gewesen, das zuerst in griechischer 
Sprache eintraf, dann aber, als die Ottomanen 
türkisch antworteten, auf türkisch wiederholt 
wurde: „Wenn ihr keine Kohlen habt, so teilt 
uns dies mit. Wir werden welche auf Jmbros 
ausschiffen und uns dann zurückziehen. Holt sie 
ab. Wir verpflichten uns, euch unbehelligt in 
den Hafen zurückzu lassen, nur müßt ihr nach 
her zur Schlacht wieder herauskommen." Auch 
an tätlichen Herausforderungen hatte es nicht 
gefehlt. So hatten am Samstag acht griechische 
Torpedoboote eine Beschießung der Küstenbe 
festigungen eröffnet. Der „Medschidijeh" verließ 
den Hafen, vertrieb die Boote und kehrte heil 
zurück. 
Kur) nach Tagesanbruch am 16. Dezember 
hatte ein ottomanischer Torpedojäger die Dar 
danellen verlassen und war den Griechen ent 
gegengefahren. Als er unter dem Feuer der 
Feinde rekognosziert hatte, kehrte er mit seiner 
Meldung zurück. Es hieß, die griechischen Streit 
kräfte entsprechen ungefähr den türkischen. Um 
8 Uhr vormittags verließ darauf die gesamte 
türkische Streitmacht Chanak Kalessi. Ich zählte 
8 große Schiffe und 7 Torpedoboote, es 
sollen aber von den letzteren noch mehr im 
Kampfe gewesen sein. Besonders genannt seien 
die Panzerschiffe „Medschidijeh", der „Torgut 
Reis" und „Meffudijeh". Im Hafen verblieb 
nur der kleine Küstenpanzer, der unter dauerndem 
Loten recht nahe ans Ufer zu kommen suchte. 
Er hatte die Reeling heruntergeklappt, die Ge 
schütze nebst Bedienung klar zum Gefecht, die 
Munitionskisten bereitstehend. Seine eigentüm 
lichen Manöver schienen irgendeiner besonderen 
Aufgabe zu dienen. 
Die Bevölkerung in Lhanak besteht haupt 
sächlich aus Griechen. Diese waren aufs äußerste 
erregt. Mein griechischer Barbier zitterte am 
ganzen Leibe, so daß ich mich vor vollendetem 
Werke den Schwingungen seiner Klinge ent 
ziehen mußte. An einer Straßenkreuzung im 
Orte steht das Grab eines türkischen Kapitäns, 
das im Laufe der Jahre zum Heiligtum ge 
Streffleurs Militärische Zeitschrift, Mien. 
Optische Signalstation der griechischen Armee.
	        
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