Volltext: Die Psychoanalyse [538/540]

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keiten wider, die er in seinem derzeitigen Amte täglich und 
stündlich empfindet, wenn er elwas leisten soll, was er nicht 
kann, was andere besser leisten, weshalb er sich über die Achsel 
angesehen und für nicht gut gelitten hält. Als Wurm zum 
ersten Male verheiratet war, wartete er bewußt auf den Tod 
der Frau, und wenn er mit ihr zankte, dann kam ihm wohl auch 
bewußt der Gedanke: Ich werde sie einmal umbringen. Solche 
Gedanken, von denen der Zeitungsleser weiß, daß sie gelegentlich 
einmal ausgeführt werden, sind immerhin verhöltnismãßig 
ungefährlich, solange sie klar bewußt sind. Denn den bewußt 
kriminellen Gedanken steht die bewußte Zurückweisung durch 
den Verstand gegenüber, der dem Menschen deutlich genug die 
Folgen zeigt, die eine kriminelle Handlung für ihn haben muß. 
Feinere Naturen sind nicht imstande, derartige Pläne von 
Gewalttat gegen die nächsten Angehörigen im Bewußtsein 
herumzutragen, sind aber ft genug auch nicht imstande, sich 
ihrer gründlich zu entledigen. Der Gedanke wird verdrängt 
und wirkt aus dem Unbewußten krankmachend und kränkend, 
ohne daß so ein armer Teufel überhaupt weiß, was in 
ihm vorgeht- In der ersten Ehe waren die gewalttätigen Ge— 
danken Wurms bewußt. In der zweiten Ehe sind sie aus ver⸗ 
schiedenen Gründen micht mehr bewußtseinsfähig. Er liebt 
diese Frau und berrügt sie nicht, während er die erste Ehe ohne 
Bedenken, so oft es ihm beliebte, durch Seitensprünge leichter 
erträglich machte. Wir sind aber zu der Annahme gedrängt, 
daß Wurm auch seine zweite Frau loswerden 
will und im Unbewußten Mordgedanken 
gegen sie w älzt. Der Arzt, welcher ihm eröffnet 
hatte, daß er nur aus Bosheit gegen— seine Frau 
nicht schlafe, hatte also, ohne von den Mechanismen im 
Inneren Wurms etwas zu wissen, dennoch die Wahrheit ge⸗ 
troffen. Daß diese Bosheit einen so teuflischen Inhalt haben 
sönnte, ahnte weder dieser Arzt, da er sich auf eine längere 
Analyse Wurms nicht einließ, noch weiß Wurm selbst etwas 
davon. Am meisten davon weiß noch die arme Frau und wäre 
wahrscheinlich nicht verwundert, wenn man ihr geradeheraus 
sagen würde, wie die Dinge liegen. Sie fühlt ja täglich die 
Feindseligkeit, die aus jeder Gebärde, jedem Blick und selbst 
dus dem Klagen und Leiden ihres Mannes spricht. . 
Die Aufgabe der Psychoanalyse ist nicht zu Ende, wenn 
der Analytiker durch das Studium des Falles die Lösung des 
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