Volltext: Die Psychoanalyse [538/540]

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die Maschine nervös mache. In Wirklichkeit war diese Hand⸗ 
ung als ein Opfer anzusehen, ähnlich dem des Polykrabes in 
Schillers Ballade, der seinen kostbarsten Besitz, einen wertvollen 
Ring, ins Meer warf, um die Götter zu versöhnen. —— 
Solcher Opfer brachte er mancherlei. Er war ein beiden⸗ 
schaftlicher Raucher, aber damals gab er das Zigarettenrauchen 
auf. Ein Vierteb Wein oder ein Glas Bier, das ihm zeitlebens 
gut geschmeckt hatte, gewöhnte er sich ab und rat alles dies 
mmer unter dem Vorw ande, daß vielleicht darin die Ursache 
einer Schlaflosigkeit gelegen sein fizunte. Schließlich lebte er 
wie ein Einsiedler, gab auch den ehelichen Verkehr auf, —QRW 
alle Freuden des Lebens, besuchte weder Theater moch Kino, 
sah seine Jugendfreunde nicht mehr, fürchtete sich vor jedem 
Zufthauch, und alles das ohne Erfolg, wie sich versteht: denn 
Ale diese Dinge müssen mit seiner Schlaflosigkeit enrweder gar 
nicht zusammenhängen oder waren gerade s olche Uebungen, 
die ihn von seinem Jammer hätten ablenken können. Der 
debenszweck Wurms war zu dies em Zeitpunkt offensichtlich kein 
anderer als der, des Nachts nicht zu schlafen, um bei Tag von 
nichts anderem zu sprechen als von dem schrecklichen Zustand 
der Schlaflosigkeit, in dem er sich befand. WM 
Der Psychoanalytiker sieht im Seelenleben seiner Kranken 
eine Teilung. Er weiß aus Erfahrung, daß Vorgänge im un—⸗ 
hewußten Teil der Seele das eigentblich Treibende und Krank⸗ 
machende sind. Das Bewußtsein macht nur den Lärm dazu. 
Fortdauernde Studien haben den Analytiker nicht nur in 
feiner Annahme bestärkt, sondern haben gezeigt, daß das 
bißchen Bewußtsein, von dem wir wissen And das wir fälschlich 
für das Ganze halten, sich zu den Wogen der Leidenschaft, die 
ins lichtscheue Unbewußte herbannt sind, so verhält wie der 
weiße Schaum, der über den dunkeln Wellen des Ozeans 
schaukelt. Dieser Vergleich stammt von einem Beobachter der 
englischen Herrschaft in Indien. Er empfing den Eindruck, daß 
sehr wenige Engländer über die vielen hundert Millionen ein⸗ 
gebovener Hindus herrschtes und daß sich die ungeheure Masse 
der Beherrschten solche Herrschaft aus Gründen gefallen lasse, 
de dem Beobachter zunächst unerfindlich sind. So bleibt dem 
Analytiker, wenn er einen Einstieg zu den Dämonen der Tiefe 
wagt, zunächst unbegreiflich, daß die Kultur, die Notwendig⸗ 
heiten der Gemeinschaft, die Moral und nicht zuletzt der 
etand des Menschen imstande sind, uüber die ewigen Triebe
	        
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