Volltext: Die Psychoanalyse [538/540]

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dem unbewußten Teil des Ichs und können von da aus um so 
gefährlicher werden, als sie der Kontrolle des Verstandes, des 
Gewissens und des guten Geschmackes entrückt sind. Für den 
Fall Wurm so viel, daß seine erste Ehe beine gute Schule zur 
Bewaltigung späterer Schwierigkeiten im Leben war. 
Nach dem Tode seiner ersten Frau tröstete er sich um so 
schneller, als er wie auf eine Befreiung jahrelang darauf ge⸗ 
—VF — ollte sein Leben anfangen. Als das Trauer⸗ 
zahr um war, heiratete er ein schönes, sunges Mädchen vom 
Grunde, das bis dahin als Vertauferin in einem Vorstadt— 
geschäft ein bes cheidenes und arbeitsames Leben geführt hatte. 
Sie war achtzehn Jahre alt, ind ihr Bräutigam war vierzid. 
Er nahm sich vor, diesem Mädchen den Himmel auf Erden zu 
bereiden und an diesem Himmel so viel als möglich teilzuhaben. 
Die ußeren Lebensverhältnisse Wurms hatten sich nach dem 
Kriege sehr verändert. Aktiver Offizier konnte er nach dem Zu—⸗ 
fammenbruch nicht mehr sein, und da er für einen bürgerlichen 
Beruf nicht vorbereitet war, mnußte er sich mit einem bes cheidenen 
Schreiberposten in einem großen Unternehmen begnügen. 
Statt der schönen Uniform trug er nun ein unscheinbares 
SGewand. Die Beschäftigung in der freien Natur war mit der 
Dumpfheit eines Buveaus vertauscht. Sein Verstand war 
immer unscheinbar gewesen, die Schönheit war dahin, und im 
Wettbewerb mit den anderen Angestellten war er sehr benach⸗ 
teiligt, da er nicht wie diese von Jugend an in Bureaus 
gelebt hatte. Die Hand, die fähig war, ungeheure Gewichte zu 
stemmen, eigneté sich bedeutend weniger zur Führung des 
Rechenstiftes und der Schreibfeder. Die Unannehmlichkeiten im 
Bureau sollten durch ein brausendes Eheglück wettgemacht werden. 
Aus Grüunden, die teilweise in der steigenden Nervosität 
der jungen Frau lagen, gestaltete sich aber die neue Ehe Wurms 
keineswegs so glücklich, wie er das erwartet hatte. Die Frau 
sollte ihm dankbar sein dafür, daß er sie vergötterte, daß sie nun 
ein arbeitsloses Einkommen besaß und daß er ihr noch überdies 
schöne Kleider kaufte. Statt dessen war sie im Ehebett frigid, 
wurde taglich nervöser und verstimmter, begann mit ihm zu 
zanken, weinte, erkrankte an einem rätselhaften Darmleiden, 
das in der Folge eine Operation nötig machte — keine Kinder — 
und es dam so weit, daß sie ihm eines Tages nach einer be⸗ 
sonders lebhaft geführten Auseinandersetzung davon- und in 
das Haus ihrer Eltern zurücklief. Nach einigen Verhandlungen 
bon Haus zu Haus, an der sich Tanten, Schwägerschaft und was
	        
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