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lichen Tod bestraft wurde. Der Staat war eine Erfindung von
Männern und Kriegern, und da er Männer brauchte, brauchte
er auch die Ehe. Der Staat, allgemeiner gesagt: die Struktur
der heute herrschenden Gesellschaft ist anrüchig geworden und
sucht neue Formen. Die Krise der Gemeinschaft ist die Krise
der Ehe.
Tacitus berichtet, daß der Ehebruch bei den Germanen
unbekannt gewesen sei. Er berichtet das seinen Römern, deren
Ahnen von gleicher Art gewesen waren wie die Germanen,
die er schildert. Näher stehen uns der Meister aus der guten
alten Zeit und seine Meisterin. Er würdig, vollbärtig, mit
den Sitten seiner Zeit einverstanden, nach seinen Vätern hin
orientiert. Sie eingehüllt von Kopf bis Fuß in „Endlein,
Preislein und Umgebänd“, rundlich, die Hausfrau am Herd.
Es ist gewiß nicht unsere Schuld, wenn uns diese Romantik auf
dem Umweg über die „Fliegenden Blätter“ komisch geworden
ist. Immerhin, Meister und Meisterin hatten für sich und ihre
Zeit die Frage der Bisexualität gelöst. Sie benützten zur
dauernden Abstoßung ihres „Anderen“ die Einrichtung der
Ehe und fügten sich — vermutlich ohne viel davon zu merken —
dem Zwang der Treuheit und Ewigkeit.
Hier endigt die psychologische Betrachtung, welche den
Ewigkeitssinn der Ehe aus der Bisexualität erklärt und aus
der Uebertragung der Elternliebe auf die Beziehung zwischen
Ich und Du. Beide diese psychis chen Mechanismen beruhen auf
einem Irrtum. Der Ehepartner ist nun einmal ein anderer
als man selber, und man mutet ihm offenbar Unmögliches
zu, wenn er zu einem Stück von einem selber werden und es
dauernd bleiben soll. Auch ist man weder selber mehr ein Kind,
noch liegt es in der Natur der Geschlechtsliebe, daß sie die
Verläßlichkeit der Elternliebe in sich aufnehme. Sowie solcher
Irrtum ins Bewußtsein tritt, wird er erkannt und verzehrt
die Ehe. Um die Ehe zu halten, kommt alles darauf an, daß
der Irrtum, auf dem diese soziale Synthese beruht, nicht er⸗
kannt werde. Er wird nicht erbannt, wenn man ihn nicht
sucht, und man sucht ihn nicht, wenn man ihn als schicksalhaft
gegeben hinnimmt. Kinder erkennen für gewöhnlich nicht,
daß ihre Eltern Zwang ausüben, so sehr sie ihn fühlen. Sie
sind zufrieden. Vom Zwang der Bisexualität, der in uns
steckt, wissen wir so wenig, daß man ihn erst vor kurzem ent⸗