Volltext: Die Psychoanalyse [538/540]

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Elternhause Schwierigkeiten bereitet. Wir verstehen, warum 
zjunge Leute so oft Vorliebe für ältere Männer oder Frauen 
zeigen, und nennen das eine Uebertragung ihrer ersten Liebe 
hon den Eltern auf deren sexualisierbaren Ersatz da draußen. 
Wir sind sogar gewillt, den kindischen Anspruch ernst zu 
nehmen: wenn ich groß bin, heirat ich die Mutter (den Vater), 
und nennen das mit einem Worte, das den Schöpfer der Psycho— 
analyse berühmt gemacht hat: das Oedipusmotiv. Wir wissen, 
daß zu viel Zärtlichkeit in der Kinderstube schadet. Die Zärt— 
lichkeit ist aber wegen der biologischen Hilflosigkeit der mensch— 
lichen Brut aus der Kinderstube nicht auszuschalten. Sie ge— 
hört zum Menschen, und jeder Mensch lernt seine Liebe da. 
Wenn der Mensch in das Alter der Geschlechtsreife tritt, 
erhält er eine neue Fähigkeit, sich körperlich zu entladen. Zu 
den Entladungen, die ihm schon vorher gegeben waren, tritt 
an der nämlichen Stelle des Leibes eine dritte. Sie und ihre 
Notwendigkeiten sind das Sprengmittel des Elternhauses, von 
dem an der obzitierten Stelle geschrieben steht: „Der Mann 
micht, wie gewöhnlich falsch zitiert wird: das Weib) verläßt 
Vater und Mutter und hängt seinem Weibe an und werden 
die zwei ein Fleisch sein.“ Was das Elternhaus zu bieten hat: 
unwandelbare Beständigkeit, Verläßlichkeit und etwas Drittes, 
von dem noch die Rede sein wird — sie genügen nicht mehr, 
um den Herangereiften zu bannen. Seinem mächtigsten Triebe 
teht im Hause der Eltern und Geschwister die Inzestschranke 
unübersteigbar entgegen. So kommt es zur „Exogamie“. (Das 
Hinausheiraten). 
Der Muß in die Freiheit ist also klar und physiologisch. 
Wenn man nun fragt, warum der Kulturmensch sich mit dieser 
Freiheit nicht zufrieden gibt, sondern, von Ausnahmen ab⸗ 
gesehen, früher oder später die Einehe als neue Bindung ein— 
geht, so geben mehrere Wissenschaften darauf Antwort. Wir 
erfahren aus der Geschichte der Ehe, wie sie ehedem anders 
oder gar nicht existierte, wie sie bei höheren Tieren eingerichtet 
ist, bei Menschenaffen und bei Vögeln. Der Zusammenhang 
zwischen der Seßhaftigkeit des Ackerbaues und der Ehe wird 
klargelegt. Die Ehe als Keimzelle des Staates. Armut und 
Reichtum als Ehe fördernde und Ehe störende Faktoren. Die 
Treue der Frau durch das Eigentum des Mannes erzwungen, 
der einen Leibeserben wünscht. Die Familie als pädagogische 
Anstalt. Dem allen gegenüber steht der ungelehrte Haufe, der 
wissenschaftliche Erklärungen nicht kennt und auch nicht braucht.
	        
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