Volltext: Die Psychoanalyse [538/540]

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Ehe und Liebe. 
Man sagt, daß es in glücklichen Ehen keine Hysterie gebe. 
Der Satz ist freilich schwer erweislich. Denn wo gibt es glück— 
liche Ehen? Die Krise, in der sich Ehe und Familie derzeit 
befinden, scheint beinahe unlösbar zu sein. Die gescheitesten 
Menschen haben sich vergeblich den Kopf zerbrochen, was an— 
gesichts dieser offenbaren Menschheitskrankheit zu unter— 
nehmen wäre. Die Flucht in die Krankheit ist ein Verzweif— 
lungsakt des einzelnen, der sich aus dem Betriebe zurückzieht, 
weil er lieber leiden als weiter mitmachen will. Der Arzt, der 
in seinem Sprechzimmer mit dem einzelnen und seiner Krank— 
heit in die Schranken tritt, reicht nicht aus, um da zu 
helfen. Gesellschaftskritik und Gesellschaftsreformen sind nötig, 
um dem Ueberhandnehmen der Neurose wirksam entgegen— 
zutreten. Die einzelnen Faktoren, aus denen unser Gesellschafts⸗ 
leben besteht und die reformbedürftig wären, sind aber so un— 
übersehbar zahlreich, daß der Verstand nicht durchkommt. Auch 
vollzieht sich die Reform ohne Hinzutun unserer Ratschläge. 
Wir verstehen uns selber nicht. Wir verstehen noch weniger die 
Menschheit als Ganzes. Unter solchen Umständen heißt es 
bescheiden und vor allem so nachsichtig sein als möglich. Wer 
versucht hat, Kinder vernünftig zu erziehen, und weiß wie 
schwer das ist, der wird nicht leicht versuchen, dem Gesetz, der 
Sitte, der Moral strenge Richtungen zu geben, die dann nicht 
eingehalten werden können und vielleicht noch mehr unglück— 
liche und neurotische Menschen zur Folge haben. I 
Zwar ist Ehe nach Paulus, Epheser 5, 32, ein Geheim— 
wort; aber so viel ist davon gesprochen und geschrieben worden, 
daß man wohl sagen darf: Soweit der Blick eines weltklugen 
Menschen reicht, kann nichts Neues mehr über die Ehe aus— 
gesagt werden. Es ist schon alles gesagt worden. Wie man aber 
unter dem Mikroskop eine andere Welt erblickt, die selbst dem 
besten unbewaffneten Auge unerforschlich war, so empfiehlt sich
	        
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