Volltext: Im Weltkrieg und in der Nachkriegszeit (II. Band / 1929)

Die ersten Jahre der Republik. 
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besten Tradition der Sachlichkeit, nüchtern auf dem Boden der 
wirtschaftlichen Tatsachen. Für sie galt es zunächst, den Heim¬ 
kehrern trotz der Demobilisierungskrise Arbeit zu schaffen, jahr¬ 
zehntelange gewerkschaftliche Forderungen im Schwung der Re¬ 
volution durchzusetzen, um die wirtschaftliche Lage der Arbeiter¬ 
klasse zu heben und zu sichern, das Proletariat nach den langen 
Leidensjahren gesünder, kräftiger zu machen und dadurch zu be¬ 
fähigen, die völlig zusammengebrochene österreichische Wirtschaft, 
wie immer die politische Revolution weitergehe, neu aufzubauen. 
Diese unmittelbaren Ziele der Gewerkschaften in der jungen 
Republik fanden Verwirklichung in einer Fülle von Verordnungen 
und Gesetzen, die Deutschösterreich in der Sozialpolitik an die 
erste Stelle aller Kulturländer, außer Rußland, führte. Der Staat, 
einst ein Werkzeug der Unternehmer gegen die Gewerkschaften, 
wurde nun vielfach i h r Werkzeug gegen das Kapital. Die Gewerk¬ 
schaften regierten faktisch im Staate mit. Sie waren im Parlament 
sehr stark vertreten. Sie bildeten nach den Februarwahlen 1919 
in der Konstituierenden Nationalversammlung innerhalb der sozial¬ 
demokratischen Partei eine Fachsektion zur Ausarbeitung von 
Gesetzesanträgen. Die Vorständekonferenz der Gewerkschaften 
trat im Herbst 1918 fast jede Woche zusammen, beriet über wirt¬ 
schaftliche und gesetzliche Maßnahmen im Staat und schlug Ge¬ 
werkschafter für öffentliche Ämter und Institutionen vor. Auch zur 
Friedenskonferenz nach St. Germain im Jahre 1919 wurde der 
österreichischen Delegation ein Vertreter der Gewerkschaften, und 
zwar Anton H u e b e r, zugeteilt. 
Die erste Sorge der Gewerkschaften in den Revolutionstagen 
galt der rasch anschwellenden Arbeitslosigkeit durch das plötzliche 
Abbrechen der Kriegsindustrie und durch das Heimströmen der 
Soldatenmassen von den Fronten. Schon vor dem Zusammenbruch 
hatten in klarer Voraussicht Anton H u e b e r und Dr. Karl 
Renner im Arbeitsausschuß für Kriegs- und Übergangswirtschaft 
des k. k. Handelsministeriums die Aufstellung einer paritätischen 
Industriekommission für industrielle Abrüstung und wirtschaftlichen 
Aufbau verlangt und nach einigen Schwierigkeiten durchgesetzt. 
Nicht mehr wie früher traten die Handelskammern und sonstigen 
gesetzlichen Vertreter zusammen, sondern die freien Kampforga¬ 
nisationen der Arbeiter und Industriellen. Die paritätische Industrie¬ 
kommission tagte zum erstenmal am 4. Oktober 1918 im Hause der 
Industriellen in Wifen. Die Gewerkschaftsvertreter waren Franz 
Domes, Ferdinand H a n u s c h und Anton H u e b e r. Gleich¬
	        
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