Volltext: Im Weltkrieg und in der Nachkriegszeit (II. Band / 1929)

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II. Kapitel. 
gelten, beseitigte sie mit einem Federstrich die bisherige außen¬ 
politische Stellung der Monarchie. Von nun an wandten sich die 
kriegführenden Mächte der Entente unter Amerikas Führung direkt 
an die auf revolutionärem Wege entstandenen Vertretungen der 
österreichischen Völker. 
Kein Zweifel: Das Ende, ein Ende mit Schrecken, war da. Die 
österreichisch-ungarische Monarchie war aus den Reihen der 
Staaten gestrichen, obwohl ihre Kanonen um diese Zeit noch an 
den Fronten donnerten. 
Dem kaiserlich-königlichen Heere ging es allerdings schlecht 
genug. Es fehlte am Nötigsten. Ein Qeneralstabsoffizier, der beim 
Kommando der Isonzoarmee als Verbindungsorgan eingeteilt war, 
meldete Anfang Oktober dem Armeeoberkommando, daß die Sol¬ 
daten unter dem Mangel an Wäsche, Kleidung und Nahrung ent¬ 
setzlich zu leiden hätten. Es heißt in diesem Bericht: 
„Jeder Mann besitzt durchschnittlich eine Garnitur Wäsche. Es 
kommen aber Fälle vor, wo nicht einmal mehr eine volle Garnitur vor¬ 
handen ist, da Hemd oder Unterhose fehlen. 
Man muß diese Wäsche gesehen haben, um erst einen 
Begriff über das Elend zu bekommen. Der eine hat keine Ärmel mehr 
am Hemd, dem andern fehlt der Rückenteil, der dritte besitzt nur halbe 
Unterhosen oder Fragmente von Fußfetzen. 
Schwerkranke in den Marodenzimmern oder Divisionssanitäts¬ 
anstalten tragen verwahrloste, zerrissene Wäsche. Malariafiebernde 
müssen nackt warten, bis ihre Fetzen gewaschen und getrocknet sind. 
Von soldatischem Ehrgefühl kann da nicht mehr gesprochen werden, die 
einfache Menschenwürde ist da verletzt. 
Es kann niemand vor seinem eigenen Gewissen und der Geschichte 
verantworten, daß rückwärts Hunderttausende von Kriegsgewinnern 
Dutzende von Wäschegarnituren besitzen, daß Gastwirtschaften mehr 
als ausreichend über Tisch- und Bettwäsche verfügen, während unsere 
Besten hier zerfetzt und halbnackt das Vaterland schützen müssen. 
Ähnlich ist es mit der Bekleidung. Unsere Uniformstücke sind der¬ 
zeit schlechter als der letzte, ausgetragene Ersatzreservistenvorrat im 
Frieden; das sagt alles. 
Bei einem Frontregiment fehlt jedem dritten Mann 
der Mantel; auch traf ich Abteilungen, bei welchen infolge Fehlens 
von Monturstücken einzelne Mannschaften nicht ausrücken konnten...“ 
„... Die Unterernährung hat bereits militärisch schädliche Konse¬ 
quenzen gezeitigt, da die Mannschaften eine normale, mehrstündige mi¬ 
litärische Schulung körperlich nicht mehr aushalten können. Die Aus¬ 
bildungszeit am Tage mußte daher gekürzt werden...“ 
„...Ein fleischloser Tag bei der Armee war in den Monaten Juli und 
August einem Hungertage gleich. Früh und abends leerer, schwar¬ 
zer Kaffee, mittags ein inhaltloses Dörrgemüse — wegen Ungenießbar¬
	        
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