Volltext: Im Weltkrieg und in der Nachkriegszeit (II. Band / 1929)

Sanierung und Krise. 
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haushaltes seinen Vertreter aus Österreich zurückzog, stand die 
Wirtschaftskrise auf ihrem Höhepunkt. 
Denn von der Konjunktur, die im Jahre 1926 Kohlenbergbau und 
Eisenindustrie der meisten Festlandstaaten infolge des englischen 
Bergarbeiterstreiks erlebten, bekam Österreich so gut wie nichts 
zu spüren. Mit Ausnahme der Papierindustrie, die ihre gute Kon¬ 
junktur zu behaupten wußte, der Elektro- und Autoindustrie, die 
kleine Besserungen des Geschäftsganges aufwiesen, war die Indu¬ 
striekrise eine allgemeine geworden. Auch die Landwirtschaft wurde 
trotz der Steigerung der Getreidepreise von der Krise erfaßt. Ein 
Symptom dieser allgemeinen Krise ist die Gestaltung der Handels¬ 
bilanz: Erhöhung der Einfuhr an Rohstoffen, aber empfindlicher 
Rückgang des Exports an Fertigwaren. Ein weiteres die Ereignisse 
auf dem Geldmarkt. Die Liquidierung der Bankeninflation, die seit 
1923 ständig Opfer verlangte, führte auch 1926 zu weiteren Banken¬ 
zusammenbrüchen. Der bedeutendste war der der Zentralbank 
der deutschen Sparkassen. Aber auch die großen Verluste, die die 
Postsparkasse in ihren Geschäften mit Bosel erlitten hatte, führten 
zu einem Anziehen des Zinssatzes, zur Erschütterung des Ver¬ 
trauens, zur Kapitalknappheit für die Industrie. Durch stärkere 
Konzentrationsbewegungen im Bankwesen wie in der Industrie 
(Anschluß an das internationale Rohstahlkartell, Absatzvertrag von 
15 Metallwerken, Lieferungsvereinbarung der vier großen Elektri¬ 
zitätsfirmen), durch Rationalisierungsmaßnahmen und erhöhten Zoll¬ 
schutz, versuchte die Industrie, der Krise entgegenzuarbeiten. Aber 
erst gegen Ende des Jahres trat eine kleine Abschwächung ein. 
Die Arbeitslosenzahlen übertrafen denn auch die des Vor¬ 
jahresganzbedeutend. Der Höchststand wurde schon im Jänner mit 
253.819 vorgemerkten Arbeitslosen erreicht. Aber auch Ende des 
Jahres sind um 10.000 Arbeitslose mehr vorhanden als Ende 1925. 
Diese Arbeitslosigkeit wurde aber immer mehr zur Dauererschei¬ 
nung. Im Jahre 1924 hatten noch insgesamt 173.748 Vermittlungen 
stattgefunden, 1926, bei dem erhöhten Stand der Arbeitslosen, nur 
mehr 137.106. Von den Arbeitslosen in Wien sind ein Viertel Hilfs¬ 
arbeiter, fast ein Fünftel Metallarbeiter und je ein Siebentel Bau¬ 
arbeiter und Angestellte. 
Die Ergebnisse von vier Jahren Sanierung auf dem Arbeitsmarkt 
zeigen sich am besten, wenn man den Durchschnittsstand an unter¬ 
stützten Arbeitslosen im Jahre 1923 mit 100 annimmt. Im Jänner 
1927 ergibt sich dann folgende Steigerung: 
Österreich 158*4, Wien 131*7, Österreich ohne Wien 181*3.
	        
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