Es ist auffallende Tatsache, daß dort, wo Römerorte in
Staub und Asche gesunken Waren, aber ihre Straßen noch
lange von solider Kulturarbeit zeugten, auch die bayrische
Besiedlung zuerst Platz griff. Nicht uninteressant ist dabei, daß
Namen, deren Gebrauch in urkundlicher Zeit kaum mehr vor-
kommt, aber anderweitig aus der Geschichte der Völker-
Wanderung und der folgenden Jahrhunderte nachweisbar ist,
in den ältesten Ortschaftsbezeichnungen sich vorfinden, zum
Beispiel Herigis, Liutmunt, Munolf, Muno, Polio, Schönherr,
Wiìleher u. a. Je älter die Kultur einer bayrischen Landschaft
ist, um so mehr echte ,,—Wg"-Namen finden sich vor. Die
Bevölkerungszahl ist aber sehr gering anzunehmen, man dürfte
sie vielleicht auf wenige Zehntausende berechnen.
Die Bayern waren bei ihrer Einwanderung sicherlich noch
heidnischer Religion. Man darf jedoch annehmen, daß das
Heidentum dieses Volkes nicht mehr jene grausamen Züge ent-
stellten, welche die römischen Schriftsteller (Klassiker) von den
Germanen zu erzählen wußten. ^ Des Volkes Kern war
gesund, das zeigte die hohe Sittlichkeit, die Achtung vor
Frauenwürde, die Verachtung jeglicher geschlechtlichen Aus-
schweifuug, wie Tazitus in ber „Germania" es rühmte.
Bezüglich der Christianisierung wußte die göttliche Vor-
sehung Rat und Abhilse. Da die Thüringer von dem Franken-
könige Theodebert I. (534 bis 547) besiegt und in eine gewisse
vertragsmäßige Unterordnung gebracht wurden, so erklärt es
sich, daß wir die Bayern von Anfang an in Abhängigkeit von
den Franken finden. Daher konnte sich Theodebert rühmen,
daß feine Herrschaft bis Pannonien reiche. So erklärt es sich
auch, daß nicht ein heidnisches Dokument der Bayern erhalten
ist. Seit der Zeit um 500 war man am fränkischen Königshofe
fchon christlich, und zwar in der römisch-katholischen Form, wie
sie der hl. Remigius, Missionsbischof der Franken, dem noch
heidnischen Volke gebracht hatte.
Ein Umstand hat die Einführung des Christentums bei
den deutschen Völkerstämmen ungemein begünstigt. Beim
*Publius Cornelius Tacitus, c. 55 bis 120 N. Chr., verfaßte c.98 die
Schrift „Germania", in welcher er die Deutschen als urträftiges Naturvolk
seiner entarteten Nation gegenüberstellte. Es wäre nur zu empfehlen, wenn
die Kenntnis dieser Schrift gefördert würde zur Hebung der Volksgesittung.
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