Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

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gesundheitsfragen beschäftigt. Wir hören jetzt schon — und'gewiß 
mit vollem Recht — von den großen Leistungen der medizinischen 
Wissenschaft und hören von den großen Leistungen der Aerzte im 
Kriege. Es gibt gewiß manchen Arzt, dessen Interesse für Volks 
gesundheitspflege durch den Krieg geweckt wurde; hier wie in 
allen Ständen wäre es wohl am Platze, das, was der Krieg an 
„SeelenaufSchwung“ geschaffen, aufrechtzuerhalten und nutzbar 
zu machen auch noch für die Zeit nach dem Kriege. Dies wäre 
eine große Aufgabe für die ärztlichen Standesorganisationen, und 
wir wollen hoffen, daß die große Zeit des Wiederauflebens und 
Aufbauens nach dem Kriege auch dort zur Neuorientierung führt. 
Sache der Universitäten und der Sanitätsbehörden wäre es, 
den entsprechenden Unterricht durch F o r t bi 1. d u n gsk ur se 
in Säuglingspflege, Tuber k ulos e b ekä m p f u n g 
und den anderen Zweigen der Volksgesund- 
heitspflege und der sozialen Fürsorge zu beschaffen. Pflicht 
des Ministeriums des Innern insbesondere würde es sein, dafür zu 
sorgen, daß an solchen Kursen — und zwar in großer Zahl — 
Amtsärzte teilnehmen. Das Streben müßte dahin gehen, daß 
wenigstens alle jüngeren Amtsärzte im Laufe der ersten zwei 
Jahre nach dem Kriege einen derartigen Kurs besuchen müssen. 
Die ersten zwei derartigen Kurse über Tuberkulosenfürsorge hat 
das Ministerium des Innern bereits vor wenigen Wochen abhalten 
lassen. Zahlreiche weitere müssen folgen. 
Auch den Studenten müßten diese Probleme näher 
gerückt werden. Für Vorlesungen über diese Gebiete an allen 
österreichischen Universitäten müßte gesorgt werden. Ich selbst 
lese ja seit einigen Jahren über verwandte Themen und habe im 
Wintersemester 1916/17 eine Vorlesung über soziale Fürsorge ge 
halten. Solche Vorlesungen aber werden stets nur von jenen besucht 
werden, die ein etwas tieferes Interesse für derartige Fragen haben. 
Die Mediziner höherer Semester — nur diese kommen ja in Betracht 
■— sind mit Vorlesungen und Prüfungsarbeiten so überlastet, daß 
nur die für eine Sache stärker Interessierten sich zum Besuch 
eines Kollegs, das nicht einen Prüfungsgegenstand behandelt, ent 
schließen; und es wird wohl recht lange Zeit dauern, ehe soziale 
Medizin' und soziale Hygiene Prüfungsgegenstände sein werden. 
Es ist also der Kreis, der für ein solches Kolleg der Zeit in Betracht 
kommt, verhältnismäßig klein, aber alle Arzte, oder wenigstens 
der größte Teil, müßten an sozialer Fürsorge, an Volksgesundheits 
pflege mitarbeiten. Das wird aber nur dann geschehen, wenn schon 
unter den Studenten ein lebhaftes Interesse für diese Aufgaben 
geweckt wird, das sie veranlaßt, sich näher mit ihnen zu 
beschäftigen. Ich glaube, daß hiezu am meisten jene Hoch 
schullehrer — ganz abgesehen vom Hygieniker, a ü c h alle a n- 
d e r e n Theoretiker u n d K 1 i n i k er — beitragen könnten, 
die Pflichtkollegien lesen. Es gibt in all diesen Kollegien sehr 
viel Gelegenheit, auf soziale Verhältnisse als Ursache der Er 
krankungen, auf soziale Mittel als Heilbehelfe hinzuweisen, so 
daß, wenn einmal bei unseren Klinikern ein lebhaftes Interesse 
an all diesen Fragen besteht, es ihnen zweifellos ein leichtes sein 
wird, auch bei ihren Hörern ein lebhaftes Interesse, die Lust zur 
Mitarbeit, wachzurufen, ihnen die Pflicht zur Mitarbeit, klarzu 
machen. Dann werden nicht nur Spezialkollegien über Teilgebiete
	        
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