Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

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Rückgang auf. in den einzelnen dem Armeeoberkommando unterstellten 
Bereichen der Militärkommanden hingegen ist die Zahl der geschlechts- 
kranken Militärpersonen ziemlich unverändert geblieben. Die bezüglichen 
Verhältnisse bei 'einzelnen Militärkommanden sind noch immer recht 
ungünstig.“ 
Eines aber, was für die Frage • der Bekämpfung der Ge 
schlechtskrankheiten von größter Bedeutung ist, geht aus allen 
Berichten und Erlässen (den österreichischen sowohl als deutschen) 
mit größter Deutlichkeit hervor: daß der bei weitem größte Teil 
der Infektionen im Hinterland erfolgt. 
Der Generalgouverneur von Belgien, Dr. Freiherr v. B i s s i n g, 
sagte im preußischen Herrenhaus am 8. Juni 1916: „Ich darf feststellen, 
daß verschiedene Truppenteile der mir unterstellten Okkupationsarmee 
schon seit längerer Zeit gar keinen Abgang durch Geschlechtskrankheiten 
gehabt haben... aber ich darf nicht verschweigen, daß ein nicht ge 
ringer Teil unserer braven Feldgrauen, wenn sie aus der Fleimat nach 
einem wohlverdienten Urlaub - zurückkehren, als Träger der Krankheiten 
in unseren Lazaretten in Behandlung genommen werden müssen.“ 
W o 1 f (Stettin) hat (anfangs 1915) an einem kleinen Material, 
das —; wie er selbst hinzufügt —• eine Verallgemeinerung nioht zuläßt, 
festgestellt, daß von 544 Soldaten 39 Prozent sich die Infektion schon 
vor ihrer Einberufung zum Militär zugezogen haben; von den übrigen 
haben nur 89, das ist 16*4 Prozent der Gesamtzahl, die Erkrankung nach 
dem Ausrücken aus der Garnison erworben. 
Auch in Oesterreich wird über die gleichen Verhältnisse berichtet: 
So^ sagt der Erlaß des Ministeriums des Innern vom 14. Dezember 
19.15 „über Mitteilung des Kommandos der Südwestfront, daß bei 
80 Prozent der venerisch erkrankten Militärpersonen der Ansteckungsort 
im:Hinterland, und zwar in erster Linie in der Kaderstätte liegt“. Ferner 
heißt es im Erlaß des k. u. k. Kriegsministeriums vom 29. Februar 1916: 
„Alle Armeen berichten übereinstimmend, daß die Mehrzahl der Infek 
tionen (50 bis 80 Prozent) im Hinterland erfolgt“; im Erlaß des Ministe 
rium des Innern vom 8. Jänner 1916: „Da sich nach Meldungen der 
leitenden Etappenkommanden 70 bis 80 Prozent der geschlechtskranken 
Soldaten die Krankheit im Hinterland zugezogen haben sollen“; im Er 
laß des Ministeriums des Innern vom 6. Juli 1916: „Für die Beurteilung 
der Sachlage besonders wichtig ist der Umstand, daß die Erkrankungen 
im Hinterland fast ausschließlich auf die dortselbst befindlichen For 
mationen zurückzuführen sind... ., dazu kommt noch, daß nach über 
einstimmenden Angaben aller Armeen im Durchschnitt wenigstens 
50 Prozent der geschlechtlichen Infektionen unter den Fronttruppen im 
Hinterland bei Beurlaubungen und Kommamdierungen erworben oder beim 
Anlangen der Marschformationen .festgestellt werden.“ 
Zwei weitere Feststellungen sind von Bedeutung: 
Nach den Angaben aller Autoren findet sich unter den An 
gesteckten eine große Anzahl von vom Lande stammenden Sol 
daten (B läse h k o, Finger), woraus wohl —- wie wir hier 
einfügen wollen — auch hervorgeht, daß es nicht die auf anderer 
Grundlage fußende „Moral“ ist, die in Friedenszeiten die relative 
Seltenheit der Infektionen unter der Landbevölkerung hervorruft. 
Ferner findet sich unter den Erkrankten eine große Zahl von 
verheirateter Mannschaft; nach Wolff entfallen zirka ein 
Drittel der Erkrankten auf Verheiratete, ebenso berichtet Finger 
von „erschreckend vielen Ehemännern“. 
Die vorliegenden Angaben gestatten keinerlei Schluß darüber, 
ob die Soldaten vom Lande relativ häufiger erkranken als die aus 
Teleky, Soziale Fürsorge. 
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