drassy, der von dem Wunsche beseelt mar, Österreichs Gel¬
tung in der europäischen Politik zu erhöhen und besonders
das Verhältnis zu England intimer zu gestalten. Ereignisse,
die in den nächsten Jahren eintraten, förderten diese Wünsche.
Abermals hatte Rußland im Jahre 1877, nachdem es sich
der österreichischen Neutralität versichert, einen Krieg
gegen die Türkei unternommen. Nach anfänglichen Erfolgen
war die russische Offensive ins Stocken geraten und verblu¬
tete sich in Angriffen aus das wohlbefestigte Plewna. Erst,
als das kleine Rumänien dem großen Rußland zu Hilfe kam,
gelang es, die Türkei niederzuwerfen und in dem Frieden
von San Stefano bewilligte letztere alles, was Rußland ver¬
langte. Dieser Friede hätte aber Rußland auf der Balkan¬
halbinsel eine derartige Stellung eingeräumt, daß England
ihn unmöglich billigen konnte. Außerdem hatte Rußland
seine vor dem Kriege an Österreich gegebene Zusage, ihm
Bosnien und die Herzegowina zu überlassen, im Rausche
des Sieges — vergessen. Beide Staaten rüsteten zum
Kriege gegen Rußland. Da griff Bismarck ein.
Aber Bismarcks Vorschlag beschäftigte sich eine euro¬
päische Konferenz, die im Juni 1878 in Berlin zusammen¬
trat, mit der Regelung aller der Fragen, die infolge jenes
Friedens entstanden waren. In einer der Sitzungen bean¬
tragte der zweite Vertreter Englands auf dem Kongresse,
Lord Salisbury, der österreichisch-ungarischen Monarchie die
Besetzung und Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina
zu übertragen. Es lohnt sich wohl festzulegen, daß dieser An¬
trag von England ausgegangen ist, wobei ausdrücklich be¬
merkt werden muß, daß es bloß Österreichs freier Wille war,
wenn es da nicht zu einer Annexion dieser Provinzen, son¬
dern nur zu einer Okkupation derselben gekommen ist. Nie¬
mand hätte gegen erstere Einsprache erhoben; nur die Rück¬
sicht auf die Türkei, die sich dagegen wehrte, das letzte Band,
das die beiden Provinzen noch an ihr Reich knüpfte, zu zer¬
reißen und eine gewisse Rücksicht auf die türkenfreundliche
Stimmung in Ungarn hielten den Grafen Andrassy ab, zum
19