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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
mittags zwischen ein und zwei Uhr flutete französische
Infanterie, untermischt mit Alpenjägern, die Abhänge her
unter dem Dorfe zu. Die Bevölkerung hatte sich zumeist
in die Keller geflüchtet, als die Franzosen ins Dorf ein
fielen und sofort sämtliche Häuser nach deutschen Soldaten
durchsuchten. Es fielen ihnen jedoch nur einige wenige
Landwehrleute von der kleinen schwachen Besatzung in die
Hände, die sich zuerst mit Todesverachtung gewehrt und
der gewaltigen französischen Übermacht ganz erhebliche Ver
luste beigebracht hatten."
Allein schon am anderen Tage war die Franzosenherr
lichkeit in Steinbach zu Ende. „Zwischen ein und zwei Uht,"
erzählt der erwähnte Augenzeuge weiter, „merkte man den
Offizieren und Mannschaften, die bei uns ein und aus
gingen, an, daß die Sache eine andere Wendung nahm.
,Nous sommes vaincus!“ (Wir sind besiegt!) raunte ein
Offizier einem Kameraden ins Ohr. Mit einem Gefühl
von Hoffnung und Sehnsucht vernahm ich diese Worte. Da
das Feuer mehr und mehr an Heftigkeit zunahm, wurden wir
in den Keller der Schule geschafft, wo zahlreiche Einwohner
der Ortschaft Schutz gesucht hatten. Da plötzlich zwischen drei
und vier Uhr ertönte im Schulhause der Ruf: .Hurra, die
Deutschensinddalh
und schon stürmten
sie zu allen Türen
des Schulhauses
hinein."
Unter schweren
Verlusten wurden
nun die Franzosen
aus Steinbach ge
worfen. 300 Ge
fangene, eine große
Menge Munition
und Proviant fie
len unseren Trup
pen in die Hände.
Allein auch die
Ortschaft hatte
schwer gelitten;
eine Fabrik und ein
großer Bauernhof
waren vollständig
in Trümmer ge
schossen, und ver
schiedene andere
Häuser standen in
Flammen. Und doch blieben die Deutschen noch nicht
Herren des Dorfes, denn die Franzosen, die inzwischen
Verstärkungen von Thann erhielten, erneuerten wieder
ihre Angriffe. Erst als diese unter schweren Verlusten
abgewiesen wurden, trat vorübergehend Ruhe ein, und
während dieser Zeit verließ die Zivilbevölkerung Steinbach
und wurde in anderen Gemeinden des Sundgaus unter
gebracht, da zu erwarten war, daß sich die Franzosen um
jeden Preis in den Besitz des Dorfes zu setzen suchen würden.
Da alle Jnfanterieangriffe im deutschen Feuer zusammen
brachen, richteten sie ihre Artillerie auf das Dorf und schossen,
wie der amtliche deutsche Bericht vom 31. Dezember meldet,
systematisch Haus für Haus zusammen. Als daraufhin unsere
Truppen einen Teil der Ortschaft räumten, gelang es den
Franzosen wieder, in Steinbach festen Fuß zu fassen. Als
aber gegen Abend ihr Artilleriefeuer nachließ, unternahmen
die Deutschen einen erfolgreichen Bajonettangriff, den der be
kannte Schlachtenmaler E. Zimmer ssiehe obenstehendes Bild)
auf unserer Kunstbeilage in wahrheitsgetreuer Darstellung
wiedergegeben hat. Der Himmel war mit düsteren, schwarzen
Regenwolken überzogen, kein Stern flimmerte am Firma
ment, nur der Flammenschein eines brennenden Hauses, das
gleich einer riesigen Fackel emporloderte, zeigte den deutschen
Landwehrleuten, die still und lautlos von den Höhen herab
eilten, den Weg nach Steinbach. Schon hatten sie unter dem
Schutz der Dunkelheit die ersten Häuser hinter sich und waren
unhemerkt bis an eine Straßenkreuzung innerhalb des Dorfes
vorgedrungen, als die Franzosen auf die Alarmschüsse ihrer
Posten hin sich sammelten und den Feind angriffen. Der
grelle Widerschein des brennenden Hauses, dessen Balken
eben knisternd und krachend zusammenstürzten und dessen
Flammen der Wind bis auf die Dächer der Nachbarhäuser
blies, blendete die Alpenjäger einen Augenblick, doch da fun
Schlachtenmaler E. Zimmer (X) im Felde.
kelten auch schon die deutschen Bajonette, Revolverschüsse
trachten und unter donnerndern Hurra warfen sich die Deut
schen den Franzosen entgegen. Um jeden Fuß Boden kämp
fend, waren sie um Mitternacht bis in die Mitte des Dorfes
vorgedrungen, wo sich die Franzosen in den Häusern auf dem
Kirchplatz und in der Kirche selbst sowie hinter den Fried
hofsmauern verschanzt hatten. Da dieser Platz auf einer kleinen
Anhöhe liegt, auf der sich die Kirche erhebt, und man von hier
aus das ganze Dorf beherrscht, so suchten sich die Franzosen
an dieser Stelle unbedingt bis zum Morgen zu halten, wo
sie auf Entsatz hofften. Aber umgeworfene Wagen mutzten
sich unsere Truppen den Weg zum Kirchplatz bahnen, wäh
rend aus allen Fenstern, Kellern und Dächern ein mörde
risches Feuer auf sie niederprasselte. Schon stand der Dach
stuhl der Kirche und der eines gegenüberliegenden Hauses in
Flammen, als sie endlich auf den freien Platz vor der Kirche
gelangten (siehe das Bild Seite 68). Aus den meisten
Häusern waren die Franzosen geworfen, aber in der Dunkel
heit konnte sich doch noch mancher verstecken und von neuem
schietzen. Mit Gewehrkolben und Stiefeln wurden Hof-
und Scheunentore eingeschlagen und so in erbittertem Ringen
im Laufe der Nacht der weitaus größte Teil des Dorfes
wiedergewonnen.
Deutsche
Unterseeboote
vor Dover.
(Hierzu das Bild
Seite 79.)
In der Nacht
vom 12.zum13.Ja-
nuar verbreitete
sich in Dover, dem
stark befestigten
Kriegshafen an der
englischen Küste,
die Nachricht von
der Anwesenheit
der gefürchteten
deutschen Untersee
boote im Kanal.
Sofort entfaltete
sich ein eifriges
Spiel der Schein
werfer, die sozu
sagen jeden Wellenkamm einzeln ableuchteten. Trotzdem
drangen die deutschen Unterseeboote mutig bis in die un
mittelbare Nähe des Hafens vor; erst das Feuer aus den
-Strandbatterien und den schweren Geschützen der Zitadelle
vertrieb sie. Aber in der folgenden Nacht waren sie schon
wieder zur Stelle, erstmals kurz vor Mitternacht, dann
wieder gegen Morgen, wobei sie sich nach englischen Be
richten aufs kühnste den Hafenanlagen näherten und mehr
mals feuerten. Dann verschwanden sie.
Ob es sich bei diesen kühnen Vorstößen nur um Er
kundungsfahrten handelte oder um ernstere Pläne, ist be
langlos, jedenfalls aber wurde die Absicht, die wichtige
feindliche Küstenstadt zu beunruhigen, erreicht. Zwar ver
kündeten die englischen Blätter wieder, das Ereignis habe
bei der Bevölkerung mehr staunende Neugier als Über
raschung oder gar Bestürzung erregt. Aus neutralen Zei
tungen aber konnte man später erfahren, daß in der Stadt
wie in der Umgebung ein paar Tage lang beinahe kopf
loser Schrecken die Gemüter erfaßt hatte. So empfindlich
mithin der Vorstoß gegen Dover für die überlegene englische
Zuversicht war, so bildete er für uns wieder einen höchst
erfreulichen Beweis für die stets bereite Angriffslust un
serer wackeren Flotte.
Ein gefährlicher Pionierangriff.
(Hierzu das Bild Seite 69.)
Die Kämpfe in Nordfrankreich haben vielfach aus Nacht
gefechten bestanden, bei denen es galt, die zum Sturm
angriffvorbereiteten feindlichen Schützengräben durch einen
Bajonettangriff in unseren Besitz zu bringen. Diese Kämpfe
sind mit besonderer Erbitterung ausgesuchten worden, wobei
an den einzelnen Mann große Anforderungen gestellt