Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

74 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
Bord alles gefechtsbereit und zum Angriff entschlossen. 
Der mutige Linienschiffsleutnant hatte sich als Opfer seiner 
Manövrierkunst nichts Geringeres als das Flaggschiff selber 
ausersehen und mutzte, um dem Schiffe beizukommen, unter 
der dazwischen liegenden einen Kiellinie erst wegtauchen. 
Es gelang, und nun wurden in rascher Aufeinanderfolge 
zwei Torpedos abgefeuert, die beide ihr Ziel erreichten, 
worauf „U 12" wohlbehalten in seinen Stationshafen 
zurückkehrte. 
Eine kühne, glänzend ausgeführte Tat, die der fran 
zösischen Flotte eines ihrer besten Kriegschiffe kostete, 
denn der doppelt getroffene Aberdreadnought soll nach 
verbürgten Nachrichten bei Valona gesunken sein. 
Ein Angriff in Flandern während eines 
Schneesturms. 
(Hierzu das Bild Seite 72/73.) 
„Nichts Schrecklicheres als die Kämpfe in Flandern," 
schrieb ein englischer Kriegsberichterstatter seiner Zeitung. 
„Die Gegend sieht aus wie das Land des Todes. Jedes 
Gebäude, ob klein oder groß, zur Ruine ausgebrannt oder in 
Trümmer geschossen. Von Pflanzenwuchs keine Spur mehr, 
denn was da im Sommer sproßte und trieb, Baum oder 
Strauch, ist alles längst abgehauen und in die Schützen 
gräben geschleppt, zu 
Deckungen oder Unter 
ständen verbaut. Eben 
dahin ist alles Stroh, das 
Gras von den Wiesen, 
das abgefallene Laub 
verschwunden. In die 
kahle Erde haben zahl 
lose Granaten metertiefe 
Löcher gerissen, eins am 
anderen, so weit das Auge 
schaut. Wenn es schauen 
kann! Denn wehe, wer 
seinen Kopf-unvorsichtig 
nur eine Viertelminute 
vorstreckt! Unermüdlich 
liegen sie hinter ihren 
Luken, diese deutschen 
Scharfschützen, und keine 
noch so geringe Be 
wegung entgeht ihren 
Luchsaugen. Aber selbst 
in den Verhauen, in den 
besten Schlupfwinkeln ist 
man keine Sekunde sicher. 
Mit Tollkühnheit, als ob 
all das Gewehr- und 
Schrapnellfeuer sie nichts 
anginge, kreuzen die 
Tauben undDoppeldecker 
über unseren Linien, und 
sobald sie etwas Ver 
dächtiges entdecken — ein 
kleiner Bogen, ein kurzes 
Aufbäumen oder wer 
weitz was sonst für ein 
unerklärliches, nur ihren 
eigenen Landsleuten ver 
ständliches Zeichen, und 
fünf Minuten später 
prasselt über die fo ge 
kennzeichnete Stelle ein 
fürchterliches, nerven- 
zerreitzendesEranatfeuer 
los, aus dem es keine 
Rettung gibt. Und als sei das Leben unter solchen Umständen 
noch zu gut, zu bequem, ist seit einiger Zeit der Frost über 
uns hereingebrochen. Schnee sinkt zur Erde, bald in leichtem 
Flockentanz, bald im wilden Wirbel des Wintersturms. Bot 
früher die Farbe der Uniform noch einen gewissen Schutz, 
so ist das vorüber; jeden verlorenen Handschuh sieht man Hun 
derte von Metern weit auf dem weitzen Bahrtuch dieses Toten 
geländes. In den Gräben, den Höhlen hocken sie beieinander, 
sich gegenseitig zu wärmen, den verklammten Fingern, den 
schier steifgefrorenen Füßen jedes erhaschbare Quentchen 
Wärme zuzuführen. Keiner denkt daran, ein Feuer zu 
entflammen. Der Rauch, so fein und dünn er emporzöae, 
über dem weitzen Schnee würde er unfehlbar verraten, 
wo ein paar Halberfrorene dem verzweifelten Kältegefühl 
abzuhelfen suchen, und eine wohlgezielte Granate wäre 
binnen kurzem das grausige Ende des Feuerchens und 
seiner Bereiter .. ." 
Hatten unsere tapferen Soldaten anfangs die Engländer 
als Gegner ziemlich gering eingeschätzt, so erwiesen sich diese 
in der Folge als ungemein zähe, erfindungsreiche Wider 
sacher. Sind unter ihnen doch viele erprobte Kämpen, die 
manchen schweren Strautz in den Kolonien hinter sich haben. 
Von ihren zahllosen Listen hier nur eine. Wenn unsere Feld 
grauen zum Sturm vorbrachen, fanden sie die feindlichen 
Schützengräben zu ihrem Erstaunen leer und sahen sich den 
noch fortgesetzt unter wütendem Kreuzfeuer. Endlich zeigte 
sich, datz sich die Engländer einzeln über das ganze Ge 
lände verteilt, sich in Gebüschen, Schobern, zugedeckten 
Erdlöchern und dergleichen verkrochen hatten und von da 
aus feuerten, völlig unsichtbar. In der Folge wurden da 
her alle verdächtigen Stellen dieser Art von uns zuerst 
unter Artilleriefeuer genommen, ehe man zum Sturm vor 
ging. Aber man erkennt auch aus solchen Schilderungen, 
welche Riesenarbeit geleistet wurde und von welchem Aber 
matz von Heldentum unsere Heeresleitung kündet, wenn sie 
in dürren Worten sagt: 
„Gestern wurde bei 36. 
der Feind aus seiner be 
festigten Stellung ge 
worfen." Der eingangs 
erwähnte englische Be 
richt schließt mit den 
Worten: „Heldentaten 
werden dort alltäglich 
verrichtet, die einzeln 
nicht bekannt werden 
können, die aber ganze 
Bücher füllen würden." 
Das 
zerstörte Vailly- 
(Hierzu die Bilder Seite 76 
und 77.) 
Die Erstürmung von 
Vailly,über die wir schon 
Bd.I S.460 die Schilde 
rung eines Mitkämpfers 
bringen konnten, stellte 
sich, wie die ruhmvolle 
deutsche Waffentat vom 
12. bis 14. Januar bei 
Soissons erwiesen hat, 
immer mehr als die Teil 
maßnahme eines groß 
angelegten Planes un 
serer Armeeoberleitung 
heraus, an dem auch die 
am 17. Dezember ange 
kündigte französische Of 
fensive nichts zu ändern 
vermochte. Unsere Trup 
pen haben hierbei nicht 
nur an den verschiedensten 
Stellender langen Front, 
von der Nordsee bis zu 
dem südlichsten Teil der 
Vogesen (s.die Karte Bd.I 
Seite 364), den heftigsten 
Angriffen standgehalten, 
sondern sogar in dem Kampfabschnitte, der Paris am nächsten 
liegt, einer beträchtlichen französischen Armee eine ver 
nichtende Niederlage von großer Tragweite bereitet und 
sie zum Rückzug gezwungen. 
Diesem glänzenden Erfolg bei Soissons, über den wir 
bereits auf Seite 51 berichteten, war die Einnahme von 
Vailly vorausgegangen. Die Stadt ist durch ihre Lage 
ein wichtiger Eisenbahnpunkt an der östlichen Grenze des 
Kampffeldes von Soissons; die dort sich entlang ziehende 
Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. H. 
Tine Windmühle wird von Franzosen als militärischer Aussichtspunkt verwendet.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.