Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
Schon seit einigen Tagen bemerkte man eine Unruhe 
in den maßgebenden militärischen Kreisen von Lodz, und 
am Abend des 17. November (Dienstag) hat man Lodz 
von neuem angegriffen. Die ersten vereinzelten Kanonen 
schüsse fielen von fünf bis sechs Uhr abends. In der Nacht 
zum Mittwoch währte die Beschießung von zwei Uhr an 
ununterbrochen 16 Stunden lang, und zwar nicht nur 
von einer, sondern von allen Seiten. Mittwoch abend, 
so gegen sechs Uhr, hörte es all 
mählich auf. Donnerstag früh 
zwischen fünf und sechs Uhr ging's 
erneut und immer stärker los. Den 
Höhepunkt erreichte das Bom 
bardement Freitag nachmittag, 
wobei auch die Stadt an ein 
zelnen Stellen zu brennen anfing. 
Die meisten Opfer aber unter 
der Zivilbevölkerung gab es 
gestern, als die Preußen die Stadt 
aus Flugzeugen zu bombardieren 
anfingen, viele Häuser einrissen 
und einäscherten. 
Am Samstag (21.) früh sollen 
wir wieder Verstärkungen er 
halten haben, und so haben wir 
den Feind auf einzelnen Seiten 
zurückgedrängt. Dennoch ging 
diese Nacht die Kanonade un 
unterbrochen sehr heftig. Am 
Freitag abend war ich auf der 
Brzesinska, einem hohen Hause, 
und von dort sah ich unsere Stel 
lung und die krepierenden feind 
lichen Schrapnelle. Der Hori 
zont war in allen Richtungen 
ein Feuermeer, da rings die 
Dörfer brannten. Von Mittwoch 
an spielte sich bei uns in der 
Stadt eine Völkerwanderung ab. 
Von allen Seiten ist die Be 
völkerung geflohen (von Balut, 
Vidsor und anderen Gegenden), 
und nur mit ihrem Bettzeug ver 
sehen, kommen sie zur Stadt 
herein, wie man es seinerzeit 
von Belgien gehört hat. 
Die Not ist groß und dazu ganz Lodz von Verwundeten 
überfüllt. Dabei seit 8—10 Tagen keine Zufuhr an Lebens 
mitteln. 
Die meisten Lodzer haben schon seit 10—14 Tagen kein 
Brot mehr gegessen. Die Bäckerläden hat man wie 
Festungen umlagert und gestürmt. Bis sechs Mann Be 
wachung (Kosaken) haben sie zum Schutze bekommen — 
vor dem Militär. Denn dies arme Volk wollte am meisten 
Brot haben. Heute zahlt man für ein Pfund Weizenmehl 
24 Kopeken. Kartoffeln sind nicht zu haben. Jedenfalls 
sieht es furchtbar traurig um uns aus. Es geht niemand 
mehr zu Bett. 
In meiner Lampe ist auch nur für eine halbe Stunde 
Naphtha. Auch. für hohes Geld ist keines mehr in Lodz 
zu haben. Die meisten, ja fast alle Häuser sind bei uns am 
Abend finster. Das Gas hat auch so gut wie gar nicht mehr 
gebrannt. — 
Erst am 28. November griffen die Deutschen die Russen 
in der Gegend von Lowicz erneut an, und am 29. wurden 
Vorstöße der Russen aus Lodz siegreich abgewiesen. Die 
darauf eingeleiteten Gegenangriffe brachten uns mehr 
als 9500 Gefangene sowie 36 Geschütze, 26 Maschinen 
gewehre und zahlreiche Munitionswagen ein. 
Im ganzen nahm die Ostarmee in den Kämpfen bei 
Wloclawek, Kutno, Lodz und Lowicz, vom 11. November 
bis 1. Dezember, über 80 000 unverwundete Russen ge 
fangen. 
Anfang Dezember gingen nun die Deutschen, nach 
dem Eintreffen von Verstärkungen, trotz der großen An 
strengungen, die ihre seit drei Wochen fast ununterbrochen 
im Kampfe stehenden Truppen bereits hinter sich hatten, 
ihrerseits von neuem auf der ganzen Front zum Angriff 
über; es gelang ihrem starken rechten Flügel, in die in der 
Mitte der russischen Linie bestehende Lücke einbrechend, 
Lask zu nehmen und, in der Richtung auf Pabianice vor 
dringend, die russische Stellung südwestlich Lodz zu um 
fassen. Hierdurch wurden die Russen gezwungen, in der 
Nacht vom 5. zum 6. Dezember ihre so zäh behaupteten 
Stellungen um Lodz und dieses selbst zu räumen und hinter 
die Miazga zurückzugehen. Die Räumung von Lodz durch 
die Russen geschah heimlich des Nachts, daher ohne Kampf 
und zunächst unbemerkt. Sie war aber nur das Ergebnis 
der vorhergehenden dreitägigen 
Kümpfe. In diesen hatten die 
Russen ganz ungeheure Verluste, 
besonders durch unsere schwere 
Artillerie. Die verlassenen russi 
schen Schützengräben waren mit 
Toten buchstäblich angefüllt. Noch 
nie in den gesamten Kämpfen 
des Ostheeres, nicht einmal bei 
Tannenberg, sind unsere Truppen 
über so viele Leichen hinweg 
geschritten, wie bei den Kämpfen 
um Lodz, Lowicz und überhaupt 
zwischen Pabianice und der 
Weichsel. Außer diesen unge 
wöhnlich starken, blutigen Ver 
lusten verloren die Russen noch 
etwa 6000 Gefangene und 16 Ge 
schütze. Obgleich wir die An 
greifer waren, blieben unsere 
Verluste hinter denen der Russen 
weit zurück. Wir haben, im Gegen 
satz zu ihnen, insbesondere ganz 
unverhältnismäßig wenig Tote 
verloren. Die Stadt Lodz hatte 
durch die Kämpfe unbedeutend 
gelitten. Nur einige Vororte 
und Fabrikanlagen außerhalb 
des Stadtbezirkes hatten Be 
schädigungen aufzuweisen, doch 
das Innere der Stadt ist fast 
völlig unversehrt. Die elektrische 
Straßenbahn verkehrte ungestört 
wie in Friedenszeiten. Eine 
Schilderung der Kämpfe bei Lodz 
und die sich daran anschließende 
Besetzung der Stadt durch die 
deutschen Truppen haben wir 
bereits Band I Seite 483 gebracht. 
Alle Versuche der Russen, die Lücke durch nach Norden 
gezogene Truppen der in Südpolen kämpfenden Armeen 
zu schließen, waren dank der energischen Angriffe der süd 
lichen Gruppe der Verbündeten — namentlich ihres in 
Richtung Nowo-Radomsk siegreich vorgehenden linken 
Flügels — mißlungen. Am 7. Dezember meldete der 
Petersburger Korrespondent der Kopenhagener „Politiken", 
daß die russische Armee auf der ganzen Westfront zur 
Defensive übergegangen sei. Die Linie Warschau—Jwan- 
gorod bilde die natürliche Verteidigungsstellung West- 
rutzlands. 
Auch der linke deutsche Flügel der nördlichen deutschen 
Gruppe, der sich inzwischen über Jlow bis zur Weichsel 
ausgedehnt hatte, machte erhebliche Fortschritte und ge 
langte bis dicht vor Lowicz und an den Bzuraabschnitt. 
Gleichzeitig mit der Vorwärtsbewegung in Nordpolen waren 
die verbündeten österreichisch-ungarischen Truppen in den 
Karpathen und in Westgalizien zum Angriff übergegangen. 
Auch hier wurden erhebliche Fortschritte gegen den linken 
russischen Flügel gemacht. 
Am 9. Dezember nahm eine unserer auf dem rechten 
Weichselufer in Nordpolen vorgehenden Kolonnen die Stadt 
Przasnycz im Sturm. Es fielen hierbei 6000 Gefangene 
und einige Maschinengewehre in ihre Hände. Auch am 
12. Dezember konnten in Nordpolen eine Anzahl feindlicher 
Stellungen genommen werden, wobei 11 000 Gefangene 
gemacht und 43 Maschinengewehre erbeutet wurden. Ebenso 
wurden hier, am 16. Dezember, mehrere Stützpunkte des 
Feindes erobert, dabei 3000 Gefangene gemacht und 
4 Maschinengewehre erbeutet. In Südpolen gewannen 
unsere Truppen ebenfalls, im Verein mit den österreichisch 
ungarischen Verbündeten, Boden. 
Die nunmehr mit erhöhtem Nachdruck auf die ganze 
z Phot. C. Pietzner, Wien. 
Admiral Anton Haus, 
Marinekommandant und Chef der Marinefektion des österreichisch- 
ungarischen Kriegsminifteriums.
	        
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