Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15
(Fortsetzung.)
Die Kämpfe in Galizien nahmen auch weiterhin einen
für Österreich-Ungarn günstigen Fortgang. Mitte Oktober
hatten sich zu beiden Seiten des Strwiazflusses zwischen
den österreichisch-ungarischen und den russischen Truppen
überaus hartnäckige Kämpfe entwickelt. Die feindlichen
Linien kamen einander sehr nahe. An einzelnen Stellen
wurden, wie beim Festungskampfe, Laufgräben benutzt;
teilweise entwickelte sich aus dem leichten Eeschützkampf
schwerer Artilleriekampf. In den Karpathen drangen Teile
der österreichisch-ungarischen Truppen bis Lubience, auf
die Höhen nördlich Orow und in den Raum von Uroz vor.
Auch die Schlacht, die östlich von Chyrow und Przemysl
tobte, brachte unseren Verbündeten große Erfolge. Beson
ders erbittert war der Kampf bei Mizyniec. Die Höhen von
Magier« (s. a. Bd.I S. 359), die bis dahin in den Händen
der Nüssen gewesen waren, wurden nach mächtigen Artillerie
vorbereitungen am 18. Oktober nachmittags im tapfersten
Ansturm genommen. Nördlich Mizyniec kam der Angriff
der k. u. k. Truppen bis an die Höhen von Medyka. Der
südliche Schlachtflügel wies zahlreiche Angriffe der Russen
gegen die Höhen süd
westlich von Stary-Sam-
bor ab. Bald darauf
wurde gemeldet, daß die
Schlacht in Mittelgali-
zien, namentlich nördlich
vom Strwiazflusse, noch
an Heftigkeit zugenom
men habe. Alle Versuche
der Russen, den Öster
reichern und Ungarn die
Höhen von Magiera wie
der zu entreißen, schei
terten indes; dagegen
eroberten diese die viel
umstrittene Baumhöhe
nordöstlich von Tyszokice.
Auch aus Stryj, Körös-
mezö und Sereth wurden
die Russen nach heftiger
Verteidigung verdrängt.
In der Nacht vom 20,
zum 21. Oktober endlich
erstürmten österreichisch-
ungarische Regimenter
die Kapellenhöhe nördlich
von Mizyniec.
Während in den
nächsten Tagen südlich
von Przemysl hauptsäch
lich die gegen die feind
lichen Stützpunkte ein
gesetzte österreichisch-un
garische schwere Artillerie
das Wort hatte, entwickel
ten sich gleichzeitig heftige
Kämpfe am unteren San.
Übergegangene russische
Kräfte wurden dicht an
den Fluß gepreßt, zurück
geschlagen und teilweise
in die Fluten getrieben.
Bei Zarzecze machten die
österreichisch-ungarischen
Truppen bei dieser Gele
genheit 1000 Gefangene.
Ende Oktober trat wieder eine gewisse Ruhe in Galizien
ein. Beide Gegner verschanzten sich. Die Österreicher
und Ungarn stellten ihre schweren Geschütze auf, deren
vernichtendes Feuer am 27. einige feindliche Batterien
niederlegte. Nordöstlich von Turka gewannen sie meh
rere wichtige Höhen, die der Feind fluchtartig räumen
mußte. Die Schlacht, die sich nunmehr im Raume nord
östlich von Turka und südlich von Stary Sambor ent
wickelte, führte am 30. Oktober zu einem vollständigen
Sieg unserer Verbündeten (f. auch Seite 49). Der hier
vorgebrochene Feind, zwei Infanteriedivisionen und eine
Schützenbrigade, wurde aus allen seinen Stellungen ge
worfen. Auch an der galizisch-bukowinischen Grenze^ war
eine russische Kolonne aller Waffen geschlagen worden. Am
5. November warfen die k. u. k. Truppen die Russen, die
sich südlich der Wislokamündung auf dem westlichen San-
ufer festgesetzt hatten, aus allen Stellungen, wobei zahl
reiche Gefangene gemacht und viele Maschinengewehre er
beutet wurden. Auch im Stryjtale vermochte der Feind
nicht standzuhalten und mußte zurückweichen. Es wur
den dabei 500 Russen gefangen genommen und eine
Maschinengewehrabteilung nebst sonstigem Kriegsmaterial
erbeutet.
In der zweiten Novemberwoche verlangte die Rück
sicht auf die allgemeine Kriegslage, besonders in Russisch-
Polen, daß die österreichisch-ungarischen Truppen sich
zurückzogen. Selbst Przemysl, das ja schon längst von den
Russen wieder entsetzt war, wurde von neuem eingeschlossen.
Die Russen drangen über die untere Wisloka vor und
besetzten Rzeszow, Lisko,
Tarnow, Jaslo und Kros-
no. Nur im Stryjtale
mußte am 10. November
eine feindliche Gruppe
vor dem Feuer eines
Panzerzuges und über
raschend aufgetretener
österreichisch - ungarischer
Kavallerie flüchten, wo
bei der Feind außer
ordentlich große Verluste
hatte. Die Verteidigung
von Przemysl wurde nun
wieder mit großer Tat
kraft aufgenommen; ein
größerer Ausfall der Be
satzung drängte den Feind
bis in die Höhen von
Rakietnica zurück. Auch
an anderen Stellen be
kamen unsere Verbün
deten mit dem Feinde
wieder Fühlung, und es
entwickelten sich nunmehr
neue heftige Kämpfe.
Beim Anreiten aus Ery-
bow wurde starke feind
liche Kavallerie durch das
überraschende Feuer der
österreichisch - ungarischen
Batterien zersprengt. Ein
erneuter russischer Ver
such , die Belagerungs
truppen näher an die
Festung heranzubringen,
scheiterte, und die Russen
erlitten bei diesem Unter
nehmen schwere Verluste.
Bald darauf erschie
nen sie am llszoker Paß
(siehe Bild Seite 44/45),
ein Teil auf der Straße,
ein anderer Teil in den
Wäldern, und zogen in
zwei Kolonnen im Ung-
und Lyutatale nach Südwest. Beide wurden aufgehalten
und zurückgeworfen. Gleichzeitig erfolgte ein Einfall bei
Mezölaborc, wo sie jedoch ebenfalls sofort zum Rückzug
gezwungen wurden. Ende November wurden auf Homonna
vorgedrungene russische Kräfte geschlagen und zurück
gedrängt, wobei die österreichisch-ungarischen Truppen
1600 Gefangene machten.
Seit Mitte Oktober waren die Österreicher auch wieder'
in der Bukowina vorgerückt. Bereits am 22. konnten sie
Amerikan. Copyright 1915 vy Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
II. Band.
Lauf- und Schützengräben österreichisch-ungarischer Truppen zwischen den
Gehöften von Crnabara.
7