Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Hofphot, jitthlewittdt, Königsberg i. Pr. 
Der Markt in Ortelsburg in Ostpreußen- 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
neun Feldartillerie, dreizehn reitende Artillerie, sieben Küsten- 
und Festungsartillerie, sechs Gebirgsartillerie, vier Pioniere, 
sieben Telegraphisten, vierzehn Spezialgeniekorps und außer 
dem vierzehn Jahrgänge des ungedienten Landsturms. An 
der Vollendung der italienischen Heeresrüstung hat nicht 
geringen Anteil der Eeneralstabschef, Graf Luigi Cadorna 
(Bild Seite 444), ein echter Lombarde mit energisch ge 
schnittenen Zügen, scharfen Augen und blondem Haar. Er 
stammt aus einer historischen Familie. Schon sein Groß 
vater hatte eine gegen Österreich gerichtete Aufgabe zu er 
füllen, indem er 1849 als Vertrauensmann des Königs 
Karl Albert von Sardinien dem Feldmarschall Radetzky 
die Kündigung des Waffenstillstands überbrachte. Ein an 
derer Verwandter, General Raffaele Cadorna, sollte 1866 
gegen Triest marschieren, als Custozza das Schicksal wandte; 
dagegen konnte er 1870 an der Spitze des italienischen 
Heeres in Rom einziehen. Der junge Luigi wurde bereits 
mit 25 Jahren zuin Hauptmann im Größen Generalstab 
befördert, 1910 hatte er die höchste Stufe erreicht, er war 
zu einem der vier Generale ernannt, die für den Kriegs 
fall als Armeeführer bestimmt waren. Als am 1. Juli 1914 
plötzlich der bisherige Eeneralstabschef Pollio starb, galt all 
gemein Cadorna als der geeignetste Nachfolger, und er hatte 
kaum die Leitung des Generalstabs übernommen, als der 
Weltkrieg ausbrach. Er hat den Ruf eines ausgezeichneten 
Führers, der sich schon in früheren Jahren bei den großen 
Manövern durch überraschende strategische und taktische Maß 
nahmen vortrefflich bewährt hat. 
Wer sich nun in der neueren Geschichte etwas umgetan 
hat, weiß, daß Italien weder 1859 noch 1866 seine Siege 
nur eigener Kraft verdankte, daß der allein unternommene 
Feldzug am Roten Meer mit der schweren Niederlage bei 
Adua endete, daß der Feldzug in Libyen sich auf die Ohn 
macht der Türken zur See gründete und mit einem Verlust 
von mehr als 100000 Mann den schwachen und mangelhaft 
gerüsteten türkischen Truppen und Araberhaufen gegenüber 
nur langsam Boden gewonnen werden konnte. Auch in 
Tripolis ist es den Italienern, wie die auf Seite 426 be 
reits geschilderten Vorgänge beweisen (siehe auch unser Bild 
Seite 449), nicht gelungen, ihren Besitz endgültig zu festigen. 
Heute nun handelt es sich für Italien gar darum, mit Taktik 
und Strategie gegen eine starke Grenzsperre im Gebirge 
und gegen die kampfgewohnten Heere zweier Großmächte 
anzugehen. 
„Väterchen Winter" und die Masurischen 
Seen. 
«Hierzu das Bild Sette 452|453.) 
Den Russen hat ihr großer Verbündeter von 1812, der 
russische Winter, einen kräftigen Streich gespielt. Als Grund 
für diese Untreue ist anzusehen, daß man ihm anscheinend 
zu viel zumutete, ihn alles allein machen lassen wollte. 
Für uns Deutsche lohnt es sich nach diesem Ereignis, 
dessen strategische und taktische Bedeutung schon Seite 189 
gewürdigt wurde, einen Rückblick auf die Zeit der Vor 
bereitungen zu unserem Winterfeldzug zu werfen. In 
Wohnstuben, Schulen und Gasthäusern war damals eine 
starke Spannung zu bemerken, die in dem altklugen Wunsch 
gipfelte: unser Hindenburg wird doch hoffentlich nicht im 
Winter nach Rußland wollen! Ein Stellungskampf ohne 
größere militärische Unternehmungen war nach der Meinung 
gewisser Leute über den Winter die empfehlenswerteste 
Kampfart für die Ostfront, wegen der Witterung und ihres 
Einflusses auf die fechtenden Truppen, Munitionsnachschub, 
Lebensmittelnachbeförderung und dergleichen. Auch in rus 
sischen Zeitungen konnte man die Ansicht vertreten finden, daß 
ein deutscher Angriff im Winter sicherlich ein zweites 1812 gäbe. 
Rur aus dieser Überzeugung kann man es sich einiger 
maßen erklären, daß der Sicherungsdienst der Russen derart 
versagte, daß sie es nicht einmal für der Mühe wert ge 
halten hatten, ihre Unteroffiziersposten, Feldwachen, Vor 
postenkompanien und ihre Vorpostenreserve, wie es ihre 
Dienstvorschriften bestimmen, zum Schutz der lagernden und 
schlummernden Truppen auszustellen. Für die Aufklärung 
und Verbindung war dementsprechend auch nicht viel an 
geordnet worden. Wozu auch? Der dreitägige russische 
Schneesturm schien ihnen ein genügender Schuh gegen An 
griffe zu sein. In dieses undurchsichtige Schneegestöber, in 
dieses Heulen des eisigen Sturmes und über diese tief 
verschneiten Straßen und Felder wagte sich kein Hund, ge 
schweige denn ein „German"!
	        
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